Wladimir Putin wird heute wieder russischer Präsident. Foto: Kremlin.ru
Wie es um Putin zu diesem Zeitpunkt stehen wird, ist nicht vorhersehbar. Menschen in diesem Alter ändern sich nicht mehr großartig. Doch die heutige Welt wandelt sich rasant. Politiker, egal ob sie es wollen oder nicht, müssen sich manchmal auch an radikale Wandlungen anpassen.
Auch Wladimir Putin hat sich in den vergangenen 13 Jahren gewandelt. Anfang der 2000er Jahre verhielt er sich vorsichtig und zurückhaltend. Damals war es für ihn noch ungewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, obwohl er immer ein guter Zuhörer war und Menschen für sich zu gewinnen vermochte. Heute ist Putin ein selbstbewusster Politiker, der sich jederzeit in die Öffentlichkeit wagt und sein Image mit großem Energie- und Zeitaufwand pflegt.
Dabei haben sich Putins Ansichten kaum geändert. Seine Vorstellung, wie sich Russland entwickeln soll, hat sich kaum verändert. Er gilt als gemäßigter Konservativer. Zwar weckt er gern bei den Russen die Sowjet-Nostalgie, doch eine Rückkehr zu sowjetischen Methoden lehnt er ab. Putins Regierung war bis dato ein Zusammenschluss aus System-Liberalen, die die Wirtschaftspolitik seit Anfang der 1990er Jahre bestimmen, früheren Vertretern der Sicherheitsstrukturen, die in den 2000er Jahren deutlich an Einfluss gewannen. In dieser Situation musste er Kompromisse finden und Interessen ausbalancieren. Daraus ergab sich der staatliche Kapitalismus mit einer harten Fiskalpolitik und guten makroökonomischen Zahlen. Zugleich ist der Kapitalismus in Russland sehr monopolisiert und unfähig zu effektiven Innovationen.
Das politische System widerspiegelt Putins tiefe Überzeugung davon, dass Russland Übergangsgesellschaft und -staat ist, der sehr fragil ist und nach dem Wirtschaftskollaps in den 1990er Jahren noch nicht völlig wiederhergestellt wurde. Deswegen sei das Land noch nicht bereit zu einer völlig pluralistischen Demokratie.
Putin lehnt zwar die Demokratie als solche nicht ab (darin unterscheidet er sich von den zahlreichen Anhängern des Sonderweges Russlands), er betonte jedoch häufig, dass sie nur das Ergebnis einer langen Entwicklung sein könne, die einmalig für jedes Land sei. Solange das Land bürgerlich und politisch diesen Zustand noch nicht erreicht hat, muss es aus einer Hand geführt werden.
Putin folgte vielen russischen Konservativen, die darum gebeten haben, ihnen Zeit zu geben: Nur einige Jahre ohne Stress und Sie werden Russland nicht wiedererkennen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Geschichte noch niemandem diese Zeit gegeben hat. Immer geschah etwas, das die Situation schlagartig änderte. Doch die Hoffnung auf die Jahre der Stabilität wird wachgehalten. Als Putin kurz vor den Wahlen mit mehreren politischen Kommentatoren zusammentraf, sprach er darüber, dass er und seine Anhänger es in diesen Jahren zwar geschafft haben, das Gerüst des Staates wiederherzustellen, der jedoch noch einen Anbau (“Dostrojka”) brauche. Der Begriff wurde bewusst der “Perestrojka” von Michail Gorbatschow entgegengestellt - keine Umgestaltung vom Nullpunkt, sondern ein vorsichtiger Aufbau.
Das Perestrojka-Syndrom ist eigentlich typisch für die Regierungsspitze des heutigen Russlands. Putin und seine Altersgenossen waren auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren, als die Sowjetunion zerfiel. Sie haben gesehen, wie nahe große Hoffnungen samt guten Absichten und völliges Scheitern beieinander liegen. Diese Erinnerung lässt den Erfolgswillen erlahmen. Es herrscht die Angst, Gorbatschows Fehler zu wiederholen. Eine gewisse Vorsicht und Behutsamkeit sind selbstverständlich erforderlich, allerdings vermindert sich das Vermögen zu entschlossenen Handlungen, die für einen großen Politiker ein Muss sind.
Putin feuert nur in Notfällen einen seiner Getreuen. Wenn der öffentliche Druck wächst, sitzt er das aus und wartet solange, bis alles in Vergessenheit geraten ist. Danach versetzt er einen unbeliebten Beamten auf einen anderen Posten. Dennoch weiß Putin mittlerweile, dass die Bürger nicht immer dieselben Gesichter in der Regierung sehen wollen. Deswegen wird es wohl zu einer radikalen Umbesetzung kommen. Diejenigen, die er braucht, werden ihm in die Präsidialverwaltung folgen.
Putins Konservatismus war auch in seiner Außenpolitik zu erkennen. Trotz seiner bisweilen scharfen Töne ist er vorsichtig geworden. Putin sieht die Welt als eine sehr gefährliche, unvorhersagbare und chaotische Erscheinung. Deswegen muss jeder Schritt abgewägt werden, damit keine Überraschungen folgen. Putin hat eine Vorstellung davon, welchen Platz Russland in der Welt einnehmen soll, und ist bereit, an diesem Spiel teilzunehmen. Außerdem weiß er genau, welche Linien nicht überschritten werden dürfen.
In sechs Jahren, wenn Putins dritte Amtszeit endet, wird die Welt wohl völlig anders aussehen. Obwohl er in den vergangenen Jahren viel unternommen hat, werden Putins Eigenschaften danach eingeschätzt, inwieweit erfolgreich er die anstehenden Erschütterungen bewältigen wird.
Fjodor Lukjanow ist der Chefredakteur der Zeitschrift "Russia in Global Affairs".
Dieser Beitrag erschien zuerst bei RIA Novosti.
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