Olga Sluzker. Foto: PhotoXPress
Sie waren eine erfolgreiche Sportlerin und wurden plötzlich Geschäftsfrau. Warum?
Anfang der Neunzigerjahre begann für Russland ein neues Leben, auch ich wollte etwas Neues machen. Davor hatte ich nie daran gedacht, Unternehmerin zu werden. Das geschah zufällig, wie es in Russland so üblich ist.
Warum gerade Fitnessclubs?
Als Profisportlerin trainierte ich mein ganzes Leben in unbeheizten,
Biografie
Geburtsort: St. Petersburg
Alter: 46
Profil: Fitnesspionierin
Mit elf begann Olga Sluzker mit dem Fechten, Anfang der 1990er zog sie sich mit dem Meistertitel aus dem Sport zurück. 1993 eröffnete sie World Class, den ersten Fitnessclub Russlands. Heute sind es 37 Filialen. Erst später studierte sie Management an der Staatlichen Verwaltungsschule der Staatsakademie. Achtmal tauchte World Class sogar unter den 25 besten Fitnessclubs der Welt auf.
stickigen und ausrangierten Turnhallen. Wir hatten nie gedacht, dass es anders geht. Dann war ich mit meinem damaligen Mann in Spanien im Urlaub und besuchte im Hotel-Fitnesscenter einen Step-Aerobic-Kurs. Die dortige Sportkultur brachte mein ganzes Weltbild durcheinander: Statt disziplinierter körperlicher Züchtigung, wie zu Sowjetzeiten üblich, sah ich Leute, die in einer sauberen Turnhalle den Spaß am Sport lebten und parallel Musik hörten. So was gab es in Russland nicht. Also dachte ich mir, warum sollte ich es nicht selbst einmal versuchen?
Wo hatten Sie das Geld her, und wie viel haben Sie investiert?
Mein Mann gab mir das Geld. Am Anfang haben wir wenig investiert, gerade einmal 400 000 US-Dollar.
Kam Ihre Geschäftsidee an?
Die Medien haben uns zunächst gemobbt. Bei der ersten Pressekonferenz fielen die Reporter über mich her: Sie wollten wissen, wie ich dazu komme, körperliche Ertüchtigung zu verkaufen. Es war eben etwas völlig Neues.
Wie haben Sie da überhaupt Kunden finden können?
Vor der Eröffnung des ersten Clubs habe ich versucht, so viele Stars und
Sternchen wie möglich kennenzulernen. Ich habe ihnen eine Mitgliedschaft angeboten. Wo die Celebrities sind, die schön aussehen möchten, sind auch die Reichen und Schönen. Später kamen alle anderen dazu - Oligarch Roman Abramowitsch zum Beispiel, aber auch Filmstars, Neureiche, Verleger und Journalisten, Regisseure, auch viele Politiker. Fitness war ein völlig neuer Trend: Die Leute wussten nicht, was Fitness eigentlich bedeutet, und wir mussten diesen Begriff zunächst mit Leben füllen.
Wie viel kostete die Jahresmitgliedschaft in Ihrem Club?
Etwa 2500 US-Dollar. Ich weiß, das ist auch jetzt noch viel Geld, aber damals war es sogar eine horrende Summe.
Reiner Wucher.
Stimmt. Es war zwar ein Wucherpreis, aber es gab ja nichts anderes; wir hatten keine Konkurrenz. Irgendwie waren die Leute dazu bereit, für einen schönen Fitnessclub im Zentrum Moskaus tief in die Tasche zu greifen.
Wie lange haben Sie bei diesen Preisen bis zum Break-even gebraucht?
Damals, anno 1993, war in Russland noch alles anders. Das ging sehr schnell. Nach weniger als einem Jahr hatten wir alle Kosten wieder reingeholt. Irgendwann mussten wir uns dann entscheiden: Wollten wir in der Luxury-Nische bleiben oder expandieren? Heute betreiben wir Fitnessclubs in 15 russischen Städten, einschließlich Chabarowsk und Wladiwostok – und sogar in Astana und Almaty in Kasachstan.
Wir können wohl sagen, dass die russische Fitnessindustrie von Frauen gegründet wurde. Sie waren die erste, später kamen weitere
Fitnessketten dazu, ebenfalls von Frauen gemanagt. Wie erklären Sie diesen Trend?
Vielleicht sind unsere Männer einfach nicht bereit, ihre Zeit zu verschwenden, um etwas von Null an aufzubauen? Dieses Geschäft erfordert sehr harte Arbeit. Damals wurden viele Industriebetriebe privatisiert, und die Männer konnten ein Ölfeld erwerben oder eine Gießerei kaufen. Sie sind den einfacheren Weg gegangen.
Mögen es die Frauen denn in diesem Fall komplizierter?
Die russische Fitnessindustrie ist eigentlich ein Frauennetzwerk, das aus World Class heraus entstanden ist. Wir arbeiteten hart, lebten nicht über unsere Verhältnisse, was für die Frauen recht typisch ist. Wir verzetteln uns nie und beanspruchen keine staatlichen Zuschüsse oder Kredite. Ja, wir Frauen haben die Fitnesskultur nach Russland gebracht.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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