Igor Setschin. Foto: ITAR-TASS
Bis zuletzt war über das Schicksal Igor Setschins gerätselt worden. Der bisherige Vizepremier hatte die Regierung verlassen, das Verhältnis zwischen ihm und Dmitri Medwedew gilt als gespannt. Einerseits weil Setschin dem Geheimdienstler-Flügel angehört, der mit dem Medwedjew-Lager konkurriert, andererseits weil Medwedjew seinerzeit als Aufsichtsratschef bei Gazpromebenfalls die Interessen eines anderen Clans in der Energiewirtschaft vertrat.
Medwedew darf Setschin ernennen
Jetzt ist klar: Setschin wird Präsident beim Ölkonzern Rosneft. „Ich habe gerade eine Direktive an den Aufsichtsrat von Rosneft unterzeichnet, mit der ich Sie zum Vorstandschef des Unternehmens mache", erklärte Medwedew bei einem Treffen mit Setschin am Dienstagabend. Setschin habe in der Vergangenheit als Vizepremier für Energiefragen große Kompetenz erworben, begründete Medwedew die Ernennung. Zugleich habe Rosneft „nicht ohne Ihre Beteiligung einen großen Sprung nach vorn gemacht", gab Medwedew Setschin mit auf den Weg.
Dies dürften wohl die letzten Hinweise Medwedews an Setschin gewesen sein, ebenso wie es die letzte Direktive war, die Medwedew gegenüber Rosneft machen konnte. Denn zeitgleich mit der Ernennung Setschins zum Chef des größten russischen Ölkonzerns wurde Rosneft von Präsident Wladimir Putin zum strategisch wichtigen Aktiv erklärt. De facto hat er damit seinen alten Weggefährten dem Weisungsbereich der russischen Regierung entzogen.
Konzern wird direkt Putin unterstellt
Strategische Entscheidungen zum offiziell nach wie vor staatlichen Konzern kann nun allenfalls Putin selbst noch beeinflussen. Über Setschin kontrolliert der Geheimdienstler-Flügel nun einen großen Teil des russischen Ölsektors. Rosneft ist mit einer Ölförderung von 119 Mio. Tonnen pro Jahr (2011) der mit Abstand größte Ölkonzern Russlands.
Den steilen Aufstieg hat Rosneft tatsächlich Setschin zu verdanken. Dieser war es, der ab 2003 die Zerschlagung und Enteignung des Yukos-Konzerns aus dem Kreml heraus leitete. Dessen Reste kaufte anschließend bei einer dubiosen Auktion eine Briefkastenfirma aus Sibirien, die wie sich später herausstellte zu Rosneft gehörte.
Setschin als schützende Hand über Rosneft
Erst dadurch stieg der Konzern in die erste Reihe der russischen Öl-Multis auf, immer behütet von Setschin, der seit 2006 als Aufsichtsratschef fungierte und ab 2008 als Vizepremier im Bereich Energie die Interessen des Konzerns auf politischer Ebene lobbyierte – auch nachdem er offiziell als Regierungsbeamter den Posten des Aufsichtsratschefs im vergangenen Jahr abgeben musste.
Nun soll das Imperium weiter wachsen. In den vergangenen Monaten wurden im Expressverfahren internationale Partnerschaften mit Eni, Statoil und ExxonMobile getroffen, die dem Konzern die Tür zum Weltmarkt öffnen sollen.
Setschin schafft Platz für eigene Leute
Gleichzeitig hat Rosneft de facto den bis dato unabhängigen Gasproduzenten Itera übernommen. Damit kann Rosneft künftig Gazprom auch auf dem Gassektor Konkurrenz machen. Dass der Absprung Setschins zu Rosneft gründlich geplant war, beweist zudem die „Säuberung" auf den Chefetagen des Konzerns. Mehrere Top-Manager, darunter auch der erste Vizepräsident Pawel Fjodorow mussten gehen. Fjodorow hatte neben dem ölverarbeitenden Sektor auch die Finanzströme des Konzerns kontrolliert.
Die vakanten Posten werden wohl Vertrauten Setschins übergeben, der damit die volle Kontrolle über den Konzern erhält. Setschin hatte sich in der Vergangenheit stets gegen eine Privatisierung von Rosneft gestemmt. Im Prinzip wurde sie nun aber wohl vollzogen.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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