Medwedjews Karussell

Der ehemalige Präsidentenberater für Wirtschaft, Arkadi Dworkowitsch (mittig), ist Vizepremier geworden. Foto: ITAR-TASS

Der ehemalige Präsidentenberater für Wirtschaft, Arkadi Dworkowitsch (mittig), ist Vizepremier geworden. Foto: ITAR-TASS

Wären wir im Jahr 2008 und nicht 2012 – und wäre Dmitri Medwedjew zum Premierminister ernannt worden, ohne zuvor Präsident gewesen zu sein –, hätte seine neue Regierung vermutlich einen besseren Eindruck hinterlassen.

Man mag einwenden, dass die neue Regierung ohne das Putin-Gespann Igor 
Setschin und Wiktor Subkow zum Liberalen tendiert. Selbst Igor Schuwalow, der einzige Vizepremier aus der alten Regierung, der sich die Verbesserung des Investitionsklimas auf die Fahnen geschrieben hat, gilt als liberaler Vordenker.

Medwedjews Präsidentenagenda machte den Bürgern Hoffnung, dass politische Veränderungen, Reformen, Modernisierung und das Ende der Korruption anstünden - durch neue Gesichter in der Verwaltung. Diese Hoffnungen konnte er während seiner vier Jahre als Präsident nicht erfüllen. Deshalb gibt auch Medwedjews von Putin genehmigte Regierung wenig Grund zur Hoffnung: Wunder erwartet von dieser Regierung niemand, und selbst das Wörtchen Modernisierung ist aus der Mode gekommen.

Als Medwedjew im Mai sein Kabinett vorstellte, betonte er, dass drei Viertel der Posten neu besetzt wurden. Formal hat er recht, inhaltlich sind alle Beamte, von drei Positionen einmal abgesehen, entweder frühere Vizeminister oder Leute vom Kreml.


Unter den Ministern, die unmittelbar dem Präsidenten unterstehen, gibt es nur wenige neue 
Gesichter. So ersetzte der Ex-
Polizeichef Moskaus Wladimir 
Kolokoltsew den in Ungnade gefallenen Innenminister Rasсhid Nurgalijew. Anatolij Serdjukow, der nicht weniger unbeliebte Verteidigungsminister, behielt jedoch seinen Posten, weil Putin ihn für den besten Kandidaten hält, um die Armee neu auszurüsten und zu modernisieren.


Viele Bürger sind begeistert, 
dass die neue Gesundheitsministerin Weronika Skwortsowa eine 
Medizinerin in fünfter Generation ist - im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Tatjana Golikowa. Skwortsowa war jedoch ihre Stellvertreterin, und somit dürfte sie den eingeschlagenen Kurs beibehalten. Die Ablösung der Landwirtschaftsministerin Jelena Skrynnik erscheint ebenfalls suspekt: Sie hat gute Arbeit geleistet, die russische Landwirtschaft boomt. Skrynnik ist eine starke Persönlichkeit und scheute nicht vor offenen Worten zurück, selbst nicht gegenüber Putin. Offensichtlich hatte Medwedjew für eine 
solche Person in seinem Kabinett keinen Platz. Professionalität hat in den Regierungen Russlands gegenüber Gehorsam häufig das Nachsehen.

Putin bestand darauf, dass der Finanzminister Anton Siluanow, der vor Kurzem Alexej Kudrin auf diesem Posten ersetzte, diese Position auch beibehält. Somit wird dieses Ministerium unter strengen Staatsfittichen stehen. Der ehemalige Präsidentenberater für Wirtschaft, Arkadi Dworkowitsch, ist Vizepremier geworden. Doch wird er in dieser Rolle erreichen können, was er auf seinem früheren Posten vergeblich versucht hat? Und hat sich das Investitionsklima in Russland in den letzten vier Jahren, in denen Schuwalow als Vizepremier im Amt war, tatsächlich verbessert?


Der neue Minister für Wirtschaftsentwicklung Andrej Beloussow war auch schon vorher im Ministerium und legte zum Teil progressive Wirtschaftsideen vor. Sein Manko ist nur, dass keine von ihnen umgesetzt wurde.


Vielleicht finden diese neuen Ideen ihren Ausdruck in Medwedjews „transparenter“ Innenpolitik. Falls nicht, würden sie das Volk bei Laune halten, jetzt, wo es ein eigenes Ministerium für transparente Politik - offiziell „offene Regierung“ - gibt. Das heißt wohl, dass der Regierungs-PR nun deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als vorher. PR hin oder her, am Ende ist klar, dass die wichtigen Entscheidungen weiterhin von Putin und seiner Mannschaft getroffen werden, und nicht in Medwedjews Kabinett.


Georgi Bowt ist Politologe und schreibt für The Moscow Times, wo die ungekürzte Fassung dieses Beitrags erschien.

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