Der ehemalige Präsidentenberater für Wirtschaft, Arkadi Dworkowitsch (mittig), ist Vizepremier geworden. Foto: ITAR-TASS
Man mag einwenden, dass die neue Regierung ohne das Putin-Gespann Igor Setschin und Wiktor Subkow zum Liberalen tendiert. Selbst Igor Schuwalow, der einzige Vizepremier aus der alten Regierung, der sich die Verbesserung des Investitionsklimas auf die Fahnen geschrieben hat, gilt als liberaler Vordenker.
Medwedjews Präsidentenagenda machte den Bürgern Hoffnung, dass politische Veränderungen, Reformen, Modernisierung und das Ende der Korruption anstünden - durch neue Gesichter in der Verwaltung. Diese Hoffnungen konnte er während seiner vier Jahre als Präsident nicht erfüllen. Deshalb gibt auch Medwedjews von Putin genehmigte Regierung wenig Grund zur Hoffnung: Wunder erwartet von dieser Regierung niemand, und selbst das Wörtchen Modernisierung ist aus der Mode gekommen.
Als Medwedjew im Mai sein Kabinett vorstellte, betonte er, dass drei Viertel der Posten neu besetzt wurden. Formal hat er recht, inhaltlich sind alle Beamte, von drei Positionen einmal abgesehen, entweder frühere Vizeminister oder Leute vom Kreml.
Unter den Ministern, die unmittelbar dem
Präsidenten unterstehen, gibt es nur wenige neue
Gesichter. So ersetzte
der Ex-
Polizeichef Moskaus Wladimir
Kolokoltsew den in Ungnade
gefallenen Innenminister Rasсhid Nurgalijew. Anatolij Serdjukow, der
nicht weniger unbeliebte Verteidigungsminister, behielt jedoch seinen
Posten, weil Putin ihn für den besten Kandidaten hält, um die Armee neu
auszurüsten und zu modernisieren.
Viele Bürger sind begeistert,
dass die neue Gesundheitsministerin Weronika Skwortsowa eine
Medizinerin in fünfter Generation ist -
im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Tatjana Golikowa. Skwortsowa war
jedoch ihre Stellvertreterin, und somit dürfte sie den eingeschlagenen
Kurs beibehalten. Die Ablösung der Landwirtschaftsministerin Jelena
Skrynnik erscheint ebenfalls suspekt: Sie hat gute Arbeit geleistet, die
russische Landwirtschaft boomt. Skrynnik ist eine starke Persönlichkeit
und scheute nicht vor offenen Worten zurück, selbst nicht gegenüber
Putin. Offensichtlich hatte Medwedjew für eine
solche Person in
seinem Kabinett keinen Platz. Professionalität hat in den Regierungen
Russlands gegenüber Gehorsam häufig das Nachsehen.
Putin bestand darauf, dass der Finanzminister Anton Siluanow, der vor Kurzem Alexej Kudrin auf diesem Posten ersetzte, diese Position auch beibehält. Somit wird dieses Ministerium unter strengen Staatsfittichen stehen. Der ehemalige Präsidentenberater für Wirtschaft, Arkadi Dworkowitsch, ist Vizepremier geworden. Doch wird er in dieser Rolle erreichen können, was er auf seinem früheren Posten vergeblich versucht hat? Und hat sich das Investitionsklima in Russland in den letzten vier Jahren, in denen Schuwalow als Vizepremier im Amt war, tatsächlich verbessert?
Der
neue Minister für Wirtschaftsentwicklung Andrej Beloussow war auch schon
vorher im Ministerium und legte zum Teil progressive Wirtschaftsideen
vor. Sein Manko ist nur, dass keine von ihnen umgesetzt wurde.
Vielleicht
finden diese neuen Ideen ihren Ausdruck in Medwedjews „transparenter“
Innenpolitik. Falls nicht, würden sie das Volk bei Laune halten, jetzt,
wo es ein eigenes Ministerium für transparente Politik -
offiziell „offene Regierung“ -
gibt. Das heißt wohl, dass der Regierungs-PR nun deutlich mehr
Aufmerksamkeit geschenkt wird als vorher. PR hin oder her, am Ende ist
klar, dass die wichtigen Entscheidungen weiterhin von Putin und seiner
Mannschaft getroffen werden, und nicht in Medwedjews Kabinett.
Georgi Bowt ist Politologe und schreibt für The Moscow Times, wo die ungekürzte Fassung dieses Beitrags erschien.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!