Schwarz-weiß war gestern: die zwei Nachwuchsfußballer Iwan Gajkowitsch und Pawel Gretschichen mit ihren bunten Fußballtretern. Foto:Tino Künzel
Eine kleine Stadt in Nordrussland, ein kleiner Sportladen und ein kleiner Kunde vor dem Regal mit den Fußballschuhen. Iwan Gajkowitsch ist erst elf, deshalb hat er seine Eltern dabei, „die Brieftasche“, wie er grinsend sagt. Beratung braucht er keine, Iwan weiß genau, was er will. Verkäufer Alexander, 21, kennt das schon: „Die Kinder sehen im Fernsehen, welcher Spieler welche Schuhe trägt. Danach entscheiden sie sich und sind nicht mehr umzustimmen.“
Iwan lässt sich weiße Nockenschuhe von Adidas kaufen, Größe 37. Sie haben pinkfarbene Schnürsenkel und kosten umgerechnet 100 Euro. Sein Vater Alexej, von Beruf Kraftfahrer, sieht darin „kein Problem“. Einmal im Jahr sei ihm die Fußballbegeisterung seines Sohnes eine solche Investition wert. Mitreden bei der Auswahl kann er nicht: „Da verstehen die Jungs viel mehr davon, die informieren sich im Internet und tauschen sich aus.“
Das russische soziale Netzwerk vk.com mit seinen 100 Millionen Usern ist der virtuelle Treffpunkt für diesen Austausch - und der Nährboden für einen bisher beispiellosen Kult um das Schuhwerk. Zwischen Schule und Training werden Fotos der angesagtesten, farbenfrohesten Modelle gepostet und Grundsatzfragen erörtert wie: F50, T90 oder doch lieber CTR360?
Oft nehmen die „Bootsy“, wie Fußballstiefel auf Anglorussisch heißen, sogar die Stelle des eigenen Profilbildes ein. Aus dem Alter sei er mittlerweile raus, sagt der Elfjährige Iwan lächelnd. Für ihn zählen die praktischen Eigenschaften der Schuhe. „Leicht müssen sie sein“ und von Leo Messi empfohlen, seinem Idol vom FC Barcelona. Dort würde der Fünftklässler irgendwann gern spielen. Begabt sei er ja, führt den Ball eng am Fuß, schießt mit links wie rechts. In der Auswahl seines russischen Oblast, größer als Deutschland, lobt man sein Talent.
Aber Barcelona? Sosnogorsk, Iwans Provinzstadt mit ihren 28 000 Einwohnern, ist von Moskau eine Tagesreise mit dem Zug entfernt. Der Sport verringert zumindest die gefühlte Distanz ein wenig. In den letzten fünf Jahren wurden zwei Sporthallen, eine Eishalle und mehrere Kunstrasenplätze eröffnet. Auch die Kaufkraft steigt. Nachwuchstrainer Denis Kulikow, 37, erzählt, dass ihm der Markenhunger allerdings schon wieder zu weit gehe: „Die lassen sich von der Werbung den Kopf verdrehen.“
Die Sportartikelhersteller machen glänzende Geschäfte, allen voran Adidas. „Russland und die GUS ist unser drittgrößter Markt nach den USA und China“, sagt Firmensprecher Jan Runau. 2012 erwartet Adidas dort erstmals mehr als eine Milliarde Euro Umsatz.
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