Gesetz zur Internet-Zensur

Aus Protest gegen neues Gesetz haben die Macher der Wikipedia das russische Angebot für einen Tag abgeschaltet. Foto:TASS

Aus Protest gegen neues Gesetz haben die Macher der Wikipedia das russische Angebot für einen Tag abgeschaltet. Foto:TASS

Die russische Duma schränkt die Bewegungsfreiheit im Internet ein. Künftig soll der Kreml ohne Gerichtsbeschluss Seiten sperren können. Offiziell geht es um den Schutz der Kinder, Kritiker sprechen von Zensur.

Mit drei im Eilverfahren durchgeboxten Gesetzesänderungen hat die Duma am Mittwochabend die Bewegungsfreiheit im russischen Internet eingeschränkt. Es gehe um den Schutz der Kinder vor der Propaganda von Pornographie, Suizid und Drogenmissbrauchs, hieß es zur Begründung. Entsprechende Seiten sollen von einer Regierungskommission auf eine schwarze Liste genommen werden. Dazu kommt es erst dann, falls weder Besitzer der Website noch Internetanbieter auf die Vorwarnung reagiert und den illegalen Inhalt löscht. Bis 1. November sollen die Listen fertig sein.

Wer auf der Liste steht, kann gesperrt werden. Ein Gerichtsbeschluss ist dann nicht mehr nötig.

Internet-Gemeinde spricht von Zensur

Die Neuerung ist innerhalb der russischen Internet-Community auf heftigen Widerstand gestoßen. Die russische Seite von Wikipedia blockierte aus Protest am Dienstag einen Tag lang alle russischsprachigen Inhalte. Die Betreiber der Blogs Livejournal und des sozialen Netzwerkes Vkontakte sprachen von Zensur.

Es gibt gleich mehrere Kritikpunkte an der Neuerung: So sollen auf die Liste nicht nur konkrete Seiten mit dem Inhalt aufgenommen werden, sondern IP-Adressen. Werde also eine Seite von Wikipedia als illegal eingestuft, könne das gesamte Portal gesperrt werden. Zudem können von einer IP-Adresse auch mehrere Internetseiten unabhängig voneinander betrieben werden.

Ursprüngliche Formulierung abgemildert

Der Menschenrechtsrat des Präsidenten kritisierte zudem, dass die Kriterien für die Auswahl „reichlich subjektiv“ seien. Das Gesetz sei daher der Versuch, die Zensur wieder einzuführen.

Die Parlamentarier weisen den Vorwurf zurück. Es gehe nicht um Zensur, erklärte die Abgeordnete Jelena Misulina (Gerechtes Russland), denn es sei nicht vorgesehen, Provider zu bestrafen, bei denen solche Seiten gelagert würden. Zudem hatte die Duma vor der entscheidenden Lesung das Gesetz tatsächlich noch einmal abgemildert. Eine reichlich verwaschene Formulierung zum Schutz vor „schädlichen Informationen“ wurde gestrichen.

Zwei Seiten nach Artikel über Politiker gesperrt

Pikanterweise wurden allerdings zeitgleich die bekannten Internet-Seiten compromat.ru und moscow-post.ru aus dem Ru-Net gestrichen. Der

staatliche Registrierdienst hat sie nach Einleitung eines Strafverfahrens vorläufig gesperrt. Beide Seiten waren eher für politisch brisante Berichte bekannt. So veröffentlichte compromat.ru seit Jahren kompromittierendes Material (in der Regel Nachdrucke aus anderen Zeitungen) über bekannte Politiker und Geschäftsleute.

Wegen der Veröffentlichung eines Artikels über den Präsidentenberater Sergej Dubik sind beide Seiten auch unter Beschuss geraten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der Publikation persönlicher Daten und der Verbreitung von Falschinformationen.

Dubik wurde in einem Blog beschuldigt, politische Ämter zu verkaufen und seine Gegner illegal in die Psychiatrie einweisen zu lassen. Compromat.ru druckte diesen Artikel nach. Moscow-post.ru veröffentlichte zudem Protokolle, aus denen die Adresse, das Pkw-Kennzeichen und die Nummer der Fahrerlaubnis von Dubik hervorgehen. Dieser hatte sich daraufhin bei der Staatsanwaltschaft beschwert.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Seite von Russland-Aktuell.

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