Das vielleicht auffälligste an den Porträts aus der Fotoserie „100 Jahre: Das russische Porträt” ist die Freundlichkeit und Wärme der abgebildeten Personen. Die meisten Russen auf diesen Fotos lächeln – auf eine vollkommen natürliche Weise. Der dänische Fotokünstler Keen Heick-Abildhauge hat reale Personen abgelichtet, die meisten in ganz alltäglichen Situationen.
Dabei hat Heick-Abildhauge sie entspannt vorgefunden oder zumindest so stilisiert. Manchmal sogar lustig, jedenfalls auf eine Weise, in der Russen eher selten dargestellt werden. Vom Obstverkäufer zum Zimmermädchen, von der hundertjährigen Babuschka zum Feuerwehrmann hat er Menschen im Bild festgehalten, die ungewöhnlich zufrieden mit sich erscheinen.
Fotokünstler Keen Heick-Abildhauge. Foto: Pressebild |
Russland HEUTE: Wie hat das Projekt „Das russische Portrait” begonnen?
Keen Heick-Abildhauge: Ich kam das erste Mal nach Russland, weil meine Frau ein Jobangebot in Moskau erhalten hatte. Wir blieben acht Monate dort. Danach siedelten wir nach St.-Petersburg um. Alle Stereotype, alle Sachen, die ich über Russland wusste, stellten sich als falsch heraus. Meine Vorurteile wurden für mich immer bedeutungsloser, aber meine Freunde fragten mich immer noch: „Was willst du in Russland? Ist es da nicht zu ungemütlich und zu kalt?“ Das entsprach aber gar nicht meinen Erfahrungen. Die Russland-Stereotype sitzen tief, jeder kennt sie. Die meisten aber waren nie dort. Ich habe einen Weg gefunden zu zeigen, was ich hier sehe, wenn ich durch die Straßen gehe oder in einem Café sitze.
Wie kamen Sie auf das Projekt „Hundert Jahre russisches Volk”?
Ich wollte einige Gesichter Russlands zeigen. Wahrscheinlich spielt da mein beruflicher Hintergrund eine Rolle, ich bin Art-Director in einer Werbeagentur. Es war natürlich eine Herausforderung für mich, diese 100 Personen im Alter von eins bis 100 zusammen zu bekommen. Aber es war eine sehr gute Chance, die Ergebnisse meiner Spurensuche zu bündeln. Ich habe die ganze Zeit in Russland Fotos gemacht und Geschichten gesammelt.
Ist das Ihre erste Ausstellung?
Das ist meine erste Ausstellung und sie wurde weit größer, als ich erwartet hatte. Anfangs wollte ich Russland nur meinen Freunden zeigen. Dann bekundeten die russischen Medien Interesse. Das Projekt nahm eine ungeahnte Dynamik an.
Wie viele Leute beteiligten sich an dem Projekt? Und welche Kriterien für die Auswahl haben Sie angelegt?
Natürlich waren es mehr als 100, etwa 240 Personen standen zur Auswahl. Viele schlaflose Nächte! Ich hatte eine große Wandtafel in meinem Büro, dort brachte ich alle Fotos an. Ich betrachtete sie und tauschte welche aus – für ein bestimmtes Alter hatte ich beispielsweise fünf verschiedene Personen. Ich suchte bestimmte Berufe, zum Beispiel einen Polizisten, aber ich fand keinen. Dafür habe ich einen Feuerwehrmann, einen Arzt, einen Ballett-Tänzer, einen Kriegsveteranen und einen Geistlichen. Ich wollte einen weiten Blick auf die russische Gesellschaft eröffnen.
Wie haben Sie alle diese Personen gefunden?
Ich hatte zwei Assistentinnen, sie sprechen beide dänisch und halfen mir mit der Übersetzung und bei der Suche nach geeigneten Leuten im Freundeskreis. Immer wenn ich jemand neu kennenlernte, fragte ich nach Namen und Alter, das war nicht besonders höflich. Sagte jemand zu mir, er sei 37 Jahre alt, so antwortete ich: „Ach, schade, hast du denn Eltern, Großeltern oder Kinder?” Eine ganze Zeit lang war ich wirklich offensiv. Es gelang mir, sehr viele Freunde in das Projekt einzubeziehen. Später bekam ich Anrufe, die Leute fragten mich: „Suchst du immer noch jemand 79-Jährigen?“ Und wenn mir so eine Person fehlte, war ich sehr dankbar für die Hilfe.
Wo haben Sie die ältesten Personen ausfindig gemacht?
Das sind natürlich keine Leute, die man auf Spaziergängen durch die Stadt trifft. Ich fand sie in verschiedenen Veteranenheimen. Meine Hundertjährige aber lebt allein! Ich habe sie über eine Person ausfindig gemacht, die 45 Jahre alt ist.
Warum lächeln Ihre Personen auf den Fotos? Russland hat den Ruf einer Nation, die nicht lächelt.
Es war meine Idee, dass die Leute lächeln sollten. Einer der ersten Sätze, die ich zu meiner Frau sagte, als ich in Moskau ankam (es war meine dritte Reise dorthin), war: „Mein Ziel in Russland ist, die Russen zum Lächeln zu bringen”. Sie lachte und wünschte mir viel Erfolg dabei. Ich stellte schnell fest, dass die Russen sehr wohl lächeln – man muss nur mit ihnen sprechen. Es war dann schließlich alles einfacher, als ich gedacht hatte.
Wo möchten Sie Ihre Fotos noch zeigen?
In Moskau und natürlich in Dänemark. Der ursprüngliche Plan war ja, meinen Freunden Russland zu zeigen. Helsinki wäre schön.
Welche weiteren Pläne haben Sie für Ihr Projekt?
Ich hoffe, dieses Projekt in mehreren Ländern umsetzen zu können, bis ich auf zehn gekommen bin. Dänemark wird ganz bestimmt dabei sein, es ist ein kleines Land, ich spreche die Sprache und habe ein gutes Netzwerk dort. Ich träume aber auch von großen Ländern wir USA, Thailand, Australien oder Deutschland, das besonders interessant wäre für mich. Es hat eine große Geschichte und mächtige Stereotype.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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