Konzerte, Handmade-Läden, Natur – diese sind die Schwerpunkte des Musikfestivals „Afisha Picknick“ im Moskauer Naturschutzpark Kolomenskoje, das etwa 60 Tausend Menschen sammelte. Foto: Darya Donina/Russland HEUTE
Schon an der U-Bahn-Station Kolomenskoje ist klar: Es wird ein großes Picknick. Eine Schar bunt angezogener, größtenteils junger Menschen mit RayBan-Sonnenbrillen stürmt schon ab dem Vormittag den Naturschutzpark. Es gibt ganze vier Eingänge auf das abgegrenzte Gelände, trotzdem steht man bis zu einer Stunde in der Warteschlange. Es könnte die Schlange eines angesagten Hauptstadtklubs sein. Dabei ist es einfach nur ein Tag auf einer sehr großen Wiese, den Moskauer aus allen Enden der Stadt gemeinsam genießen wollen.
Das größte Picknick Moskaus
Dieses Jahr sollen es ganze 60 000 Besucher gewesen sein, die mit Regenmänteln verschiedenster Farben, IKEA-Decken und geflochtenen Körben die einstige Residenz der Zaren stürmten. Zugegeben, die Körbe waren doch eher selten zu sehen, stattdessen so genannte „Awoski“ – Einkaufsnetzte aus der Sowjetunion. Meine Mutter lagert schon immer Zwiebeln darin, heutzutage kostet diese Erinnerung an die guten, alten Zeiten ganze 300 Rubel (umgerechnet knapp 8 Euro). Potenzielle Käufer sind so genannte Hipster. Wer das genau ist, lässt sich nur schwer erklären. Sogar, diejenigen, die sich selbst als solche outen, sind da ratlos. Die Mehrheit allerdings möchte sich unter keinen Umständen zu den Hipstern zählen - auch wenn sie so aussehen. Also, stylisch und vielleicht ein bisschen schräg.
Tatsächlich sieht man in Moskau selten an einem Platz so viele bunte, tätowierte und dann auch noch freudestrahlenden Menschen wie beim „Picknick Afisha“. Aber es geht nicht einfach nur ums Sehen und gesehen werden. Ganz nebenbei hat man drei Bühnen, aus deren Richtung Musik aus aller Welt ertönt. Bands aus Russland, den USA, Großbritannien treten bei diesem Picknick auf. Dieses Jahr wurde gar Ms. Lauryn Hill eingeflogen, die PetShop Boys, Mika und Franz Ferdinand.
Aber auch die Bildung blieb nicht auf der Strecke. Parallel zu den Musikevents konnte man sich bequem im „Vorlesungszelt des Polytechnischen Museums“ am Ufer des Moskwa-Flusses Lesungen über Korruption von Amnesty International, die Vorstellung einer Stadt mit Fahrrädern von Fahrrad-Aktivisten und die Möglichkeiten eines jeden Bürgers, das Stadtbild zu verändern, von der Bewegung Partizaning.org (Partizaning ist eine Bewegung, die von Straßenkünstlern ins Leben gerufen worden ist und sich dafür einsetzt das Stadtbild mit Guerilla-Methoden besser zu machen) anhören. Auch hier blieb die Begeisterung nicht aus – einen Sitzplatz auf einem der Klappstühle zu ergattern war kaum möglich.
Von Lauryn Hill zur Anti-Korruptionsvorlesung
Wollte man weder Musik noch Bildung, blieb immer noch das, was eine junge Konsumgesellschaft über alles liebt – shoppen. Junge Designer und Handmade-Läden verkauften ihre ausgesprochen kreativen Waren – von Gummistiefeln, Handtaschen, Ketten bis zu Anzügen konnte man alles finden. Und das sogar zu reduzierten Preisen. Ganz nebenbei konnte man in Einkaufswagen Rennen veranstalten – dies ist eine sehr populäre Hipster-Beschäftigung.
Alles in allem konnte man also einen sehr produktiven Tag im Naturschutzpark verbringen, wenn auch für höhere Preise. Die Eintrittspreise variierten von knapp 60 bis 130 Euro. Das war für viele Besucher ein Kritikpunkt, aber kein Hindernis, am größten Picknick des Jahres teilzunehmen.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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