Synchronschwimmen: Letzte Vorbereitungen auf Olympia

Foto: Imago / Legion Media

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Natalia Ischtschenko, eine der besten Synchronschwimmerin der Welt, äußert sich im Interview über die Klippen und Anforderungen im Vorfeld der Olympischen Spiele in London.

Russland HEUTE: Wie kamen Sie zum Synchronschwimmen?

Natalia Ischtschenko: Als ich mit acht Jahren zum ersten Mal in die Schule für Synchronschwimmen kam, machte ich wohl auf die Trainer keinen besonderen Eindruck. Es hieß, ich sei nicht beweglich genug. Heute sieht das anders aus.

Das stimmt. Sie sind jetzt 26 und eine der weltbesten Synchronschwimmerinnen -  technisch vollendet und vielfach preisgekrönt und obendrein bildhübsch. Worauf sind Sie besonders stolz?

In erster Linie auf die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Aber auch auf die 16 Weltmeister- und 7 Europameistertitel. Besonders freute es mich, als ich bei den Europameisterschaften 2010 in allen vier Wettkampfkategorien – Solo, Duett, Gruppe und Kombination - gewonnen habe. Das hatte vor mir noch keine geschafft!

Natalia, Sie sind Kapitän der russischen Synchronschwimmerequipe. Warum musste Ihre Mannschaft trotz der gewonnen Weltmeisterschaft sich nochmals in den Vorentscheiden beweisen?

Die zusätzliche Olympia-Qualifikation hat uns tatsächlich irritiert und belastet. Wir hätten gern mit den Vorbereitungen unserer olympischen Programme begonnen, so wie beispielsweise die chinesische und die kanadische Nationalmannschaft, die bei den Asien-Spielen beziehungsweise den panamerikanischen Spielen siegten und damit automatisch für Olympia gesetzt waren. Auch die britischen Sportler sind natürlich als Ausrichter der Olympischen Spiele privilegiert. Wir hatten zwar die Weltmeisterschaft in Schanghai für uns entschieden, das brachte uns aber nicht automatisch die Qualifikation wie in anderen Sportarten.

Konnten Sie keinen Widerspruch einlegen und auf eine Änderung des Reglements drängen?

Es gibt dieses Reglement nun einmal, ob es uns gefällt oder nicht. Und weil wir bei den Qualifikationswettkämpfen nicht mit halber Kraft auftreten wollten, haben wir uns lieber auf die Wettbewerbe konzentriert, als juristisch dagegen anzukämpfen. Wir haben das Qualifikationsturnier sehr ernst genommen und uns intensiv darauf vorbereitet. Wir mussten die Anzahl der kompletten Durchläufe erhöhen. Das zehrte an den Kräften, denn dabei wird das vollständige Programm von Anfang bis Ende absolviert. Wir haben etwa doppelt so viel geschuftet wie sonst.

Hat der olympische Vorentscheid denn einen Nutzen gehabt?

Ein Vorteil bestand zumindest darin, dass wir das olympische Schwimmstadion erkunden konnten. Jetzt wissen wir, was uns erwartet. Wir haben uns alles angeschaut, alles getestet und für Okay befunden. Das London Aquatics Centre ähnelt übrigens sehr dem Pekinger Schwimmstadion, sowohl in Bezug auf das Wasserbecken als auch hinsichtlich der Anordnung der Tribünen.

Wenn wir schon einmal bei Ähnlichkeiten sind: Beim Duett werden Sie Ihre Kür vom vergangenen Jahr wiederholen. Ist das für die Weltmeisterinnen nicht zu wenig?

 

Die Komposition „Kukly“ („Puppen“) haben wir nur ein einziges Mal gezeigt, nämlich bei den Weltmeisterschaften in Schanghai. Es handelt sich also nicht um ein bekanntes Routineprogramm, das man schon zu oft gesehen hat. Technisch wie künstlerisch ist die Komposition „Kukly“ außerordentlich anspruchsvoll. In Schanghai hat sie uns den Weltmeister-Titel gebracht. Wir glauben, dass wir auch in London damit erfolgreich sein können. Außerdem haben wir vieles verändert und mehrere neue Elemente eingebaut. Nur unsere Schwimmanzüge sind dieselben.

Die Komposition „Kukly“ („Puppen“), Weltmeisterschaft-2011 in Schanghai, China.

Diese Badeanzüge sind wirklich sehr einfallsreich. Wie entstehen solche Meisterwerke eigentlich?

Gemeinsam mit unseren Trainern besprechen wir mit den Kostümschneiderinnen, wie wir uns die Modelle vorstellen, welche Muster und Applikationen darauf zu sehen sein sollen. Die Badeanzüge werden für jede Schwimmerin extra gefertigt, damit sie ideal sitzen. Aber die Bekleidung beim Synchronschwimmen muss sich auch bestimmten allgemeinen Wettbewerbsregeln unterordnen. Beispielsweise dürfen die Kostüme weder hochgeschlossen, noch zu tief ausgeschnitten sein.  Tangas gehen gar nicht. Außerdem ist ein bestimmtes Verhältnis von hautfarbenem Netzmaterial und festem Stoff vorgeschrieben. Sind etwa Verzierungen mit Strass-Steinen oder Pailletten vorgesehen, dürfen es nicht zu viele sein, sonst werden die Badeanzüge zu schwer.

Zurück zum Sport. Ende Mai haben Sie noch im holländischen Eind­­hoven zusammen mit Swetlana Romaschina die Europa­meistertitel in Solo und Duett geholt. Wo war die übrige Mannschaft?

Die Equipe sollte zuhause weiter an den neuen Olympia-Programmen feilen, denn die Freie Kür wollen wir in London erstmals zeigen. Natürlich werden wir auch beim Duett neue Elemente präsentieren.

Sollten etwa die anspruchsvollen und innovativen Elemente und Figuren bis Olympia vor Nachahmung durch die Konkurrenz geschützt werden?

Naja. Auf der einen Seite wurmt es einen schon, wenn die eigenen Elemente plötzlich in einer fremden Kür auftauchen. Andererseits zeigt das aber auch, dass du an der Spitze stehst, dass sich die anderen an dir ein Beispiel nehmen. Denn kopiert wird ja in der Regel nur das Beste und Erfolgreichste. Es wäre schön, wenn wir unsere Ideen patentieren lassen oder ihnen wenigsten Namen geben könnten. Das bleibt leider nur Sportarten wie dem Eiskunstlauf, der künstlerischen Gymnastik oder dem Kunstturnen vorbehalten.

Natalia, Sie haben vor nicht allzu langer Zeit geheiratet. Wie schaffen Sie es, Ihre Sportlerkarriere mit dem Familienleben in Einklang zu bringen?

Mein Mann Sergej Anikinwar ebenfalls aktiver Sportler. Er weiß, was es ihn gekostet hat, bei den Europameisterschaften der Wasserspringer die Silbermedaille zu holen. Er unterstützt mich in jeder Hinsicht und  bringt volles Verständnis dafür auf, dass ich müde vom Training oder von einem Wettkampf komme oder mitunter monatelang nicht zu Hause bin. Unser Familienleben leidet nicht unter dem Sport. Außerdem gibt es ja Telefon und Skype.

Wie sieht Ihr Trainingsalltag eigentlich aus?

Das morgendliche Training beginnt um 8.00 Uhr. Anderthalb bis zwei Stunden lang beschäftigen wir uns mit der Choreographie, dreieinhalb Stunden verbringen wir dann im Wasser. Anschließend gehen wir zur Massage und halten wie im Kindergarten zwei Stunden Mittagsschlaf. Lachen Sie nicht! Die Belastungen sind enorm, da braucht der Organismus Erholung. Umso mehr, wenn auch die Nacht kurz ist. Das abendliche Training endet für gewöhnlich erst gegen 22.00 Uhr. Dann isst man noch einen Happen, versucht, von der physischen Höchstleistung runterzutouren und dann Schlaf zu finden. Doch um 7.00 Uhr klingelt  schon wieder der Wecker...

Mit diesem Stress muss  jede von uns umgehen können. Aber wir wissen, warum wir uns so viel im Schwimmbecken auspowern: Wir wollen bei den Olympischen Sommerspiele in London unserer Favoritenrolle gerecht werden.

Dafür drücken wir und unsere Leser die Daumen, Natalia!

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