Pussy Riot: täglich neue Schlagzeilen

Die erste Prozess-Woche um die russische Punkband Pussy Riot verlief ereignisreich: tägliche Proteste vor dem Moskauer Chamownitscheski-Gericht, eine Bombendrohung, die Einmischung Washingtons und neue Reglementierungen für die Massenmedien. Russland HEUTE zieht eine erste Bilanz.

Foto: Kommersant, vostok photo, RIAN

Für Spekulationen, wie und wann das Verfahren enden wird, ist es derzeit noch zu früh. Doch der erste Verhandlungstag ließ bereits keine Zweifel daran, dass der Prozess nicht nur die Titelseiten russischer Zeitungen füllen, sondern auch ein internationales Medienecho finden würde. Für Kontroversen sorgt die Frage, ob die Aktion der Punkband als religiös oder politisch motiviert einzuordnen ist. Die Meinungen gehen  in diesem Punkt radikal auseinander.

„Uns ein religiöses Motiv zu unterstellen, ist verfehlt und bösartig. Ein 

solches Motiv hatten wir nicht“, erklärte Nadeschda Tolokonnikowa, die von den Nebenklägern für die Initiatorin der Aktion gehalten wird. Die ebenfalls seit Monaten inhaftierte Jekaterina Samuzewitsch bekräftigte: „Ich stehe zu dem, was in der Kathedrale passiert ist und dazu, dass ich daran beteiligt war. Aber es war eine politische Aktion.“ Die neun Nebenkläger, bei denen es sich um Wachpersonal und religiöse Amtsträger der Erlöser-Kathedrale handelt, hingegen können an dem Auftritt kein politisches Motiv erkennen. „Sie haben gotteslästerliche Worte ausgerufen, die eindeutig keine politische Bedeutung hatten. Einzig der Familienname des Präsidenten deutete auf Politik hin“, sagte die Kirchendienerin Ljubow Sokologorskaja vor Gericht aus. In welchen Kontext die Sängerinnen den damaligen Premierminister stellten, daran konnte sich die Nebenklägerin jedoch nicht mehr erinnern. Im Liedtext hieß es: „Mutter Gottes, vertreibe Putin!“

Für Schlagzeilen sorgte indes die Entscheidung des Richters, die Medienübertragung aus dem Gerichtssaal einzuschränken. Bereits zu Beginn der Sitzung hatten die Staatsanwälte beantragt, die direkte Videoübertragung des Prozesses einzustellen. Die Übertragung könne die Zeugen beeinflussen, da diese so die Aussagen der anderen Zeugen mithören könnten. Dem Antrag wurde schließlich für die Dauer der Zeugenvernehmung stattgegeben.

Eine weitere Reglementierung hatte die Journalisten zwei Tage zuvor 

getroffen. „Online-Reportagen aus dem Gerichtssaal dürfen keine Angaben zu den gerichtlich relevanten Umständen und Tatsachen öffentlich machen, die Gegenstand von Zeugenaussagen sind“, erklärte am 1. August die Pressesprecherin des Chamownitscheski-Gerichtes Darja Ljach. Das Gericht fügte später korrigierend hinzu, dass es sich dabei nicht um ein Verbot handle, sondern um eine Empfehlung. Der Vorgang wurde in juristischen Fachkreisen dennoch mit Unverständnis aufgenommen.  

„Alles, was sich öffentlich zuträgt, darf auch öffentlich verbreitet werden. Kein Gericht darf in einem öffentlichen Verfahren journalistische Tätigkeiten verbieten“, erklärte der Vorsitzende des Präsidentenrates für Menschenrechte Michail Fedotow. Der Leiter der Abteilung für Informationsbearbeitung der Russischen Agentur für Rechts- und Gerichtsinformationen (RAPSI) Wladimir Nowikow räumte zugleich ein, dass Online-Reportagen über den Pussy Riot-Prozess die Arbeit der Richter in der Tat „deutlich erschweren“.

Die angespannte Situation rund um den Prozess wurde noch weiter

Information

Am 21. Februar stürmten fünf Musikerinnen der Punkband Pussy Riot die Christi-Erlöser-Kathedrale in Moskau. Mit Häkelmasken vermummt traten die jungen Frauen mit dem Punk-Gebet „Mutter Gottes, vertreibe Putin“ auf. Später erschien im Internet eine Aufnahme des spektakulären Szenarios. Drei Mitglieder der Band wurden festgenommen: Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Alechina und Jekaterina Samuzewitsch. Die Verhandlungen wurde am 20. Juli aufgenommen, die vermeintlichen Teilnehmerinnen der Aktion müssen sich wegen Rowdytums vor Gericht verantworten. Ihnen droht eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren. Vor Gericht wurden bereits sieben Zeugen vernommen. 

angeheizt durch die Kritik des US-Außenministeriums. Einem Sprecher der Behörde, Patrick Ventrell, zufolge sei das Verfahren um die Punkband aus Sicht der USA politisch motiviert. In Washington werte man es als Jagd auf die Opposition. Zu dieser Kritik nahm die russische Seite jedoch keine Stellung. Auch die folgenden Tage der gerichtlichen Anhörungen blieben ereignisreich. Am 2. August  musste die Sitzung wegen einer anonymen Bombendrohung unterbrochen werden. Die Einsatzkräfte der Polizei konnten zwar keinen Sprengstoff finden, entspannter wurde die Atmosphäre im Gerichtsgebäude dadurch jedoch nicht. Die Anwälte von Pussy Riot beantragten ein weiteres Mal den Ausschluss der als befangen geltenden Richterin. Der bereits zum fünften Mal vorgebrachten Forderung wurde nicht stattgegeben.

Der Artikel stützt sich auf Materialien der Seite Lenta.Ru, von RIA Nowosti sowie derZeitungen Kommersant und Moskowskije Nowosti.

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