In den nächsten Tagen stünden schließlich weitere Endscheidungen in Kampsportdisziplinen, im Synchronschwimmen, der Gymnastik und diversen Mannschafts-Ballsportarten an, wo die Russen traditionell stark seien. Foto: AP
Der Ringer Roman Wlassow holte gestern im Ringen in der Gewichtsklasse bis 74 Kilogramm die lange erwartete vierte Goldmedaille für die russische Mannschaft. Siegreich waren russische Athleten damit bisher nur in Kampfsport-Disziplinen: Die vorherigen drei Gold-Taler hatten ausnahmslos Judokas geholt.
Vier Mal Gold nach neun Tagen Olympia – dieses Resultat treibt manchen russischen Sportfans und –funktionären die Sorgenfalten ins Gesicht. Offiziell verbreitet man allerdings Optimismus und Zufriedenheit: 35 Medaillen insgesamt seien „eine Errungenschaft, die zeigt, dass wir zu den führenden Sportgroßmächten gehören“, so Alexander Schukow, Vizepremier und russischer NOK-Vorsitzender. In der Tat, betrachtet man die Gesamtzahl der bisher errungenen Medaillen, steht Russland gar nicht schlecht da – nämlich auf Rang 4. Und die drittplatzierten Briten haben nur zwei mehr.
Es fehlt den Russen in London also nur am Glück oder dem letzten
Quäntchen Kraft, um ganz oben aufs Treppchen zu kommen. Und auf die Frage, wo die fehlenden Goldmedaillen sind, hat Schukow auch eine Antwort: „Unsere ehemaligen Landsleute nehmen uns in einigen Disziplinen Medaillen weg“, meint er mit einem Rückblick auf die einstige Führungsrolle der UdSSR im Welt-Leistungssport.
Gemeint ist wohl in erster Linie der Nachbar Kasachstan, der sich als olympischer Shooting-Star mit gegenwärtig sechs Goldmedaillen auf Rang 7 in der Nationenwertung geschoben hat. Die Kasachen zeigen dabei jene Effizienz beim Siegen, die dem russischen Team momentan abgeht: Silber- und Bronzemedaillen haben sie nämlich keine einzige in ihrem Körbchen.
Auch Sportminister Vitali Mutko sieht Russlands Sportbilanz nicht in finsteren Farben: Zwar gebe es einige Disziplinen, die in London enttäuschend abgeschnitten hätten - da gelte es die Gründe zu analysieren. Insgesamt wird das Ergebnis aber schon in der Norm liegen, erklärt Mutko: In den nächsten Tagen stünden schließlich weitere Endscheidungen in Kampsportdisziplinen, im Synchronschwimmen, der Gymnastik und diversen Mannschafts-Ballsportarten an, wo die Russen traditionell stark seien.
Zwei russische Trainer haben allerdings schon die Konsequenzen aus
dem bescheidenen Auftritt ihrer Schützlinge bei den Londoner Sommerspielen gezogen: Wladislaw Pawlowitsch, der Cheftrainer der russischen Fechter, trat zurück, weil er für Russland nur drei statt der anvisierten sechs Medaillen erringen konnte. Das Handtuch warf auch der Schützen-Cheftrainer Igor Solotarjow – nachdem es in seinen Disziplinen bisher nur einmal Bronze gegeben hatte: „Ich versuche nicht, Rechtfertigungen zu finden und nehme alle Verantwortung für das Ergebnis auf mich“, sagte er – und erklärte, er werde seine Kündigung einreichen.
Seinen Rücktritt kündigte auch Kasachstans Gewichtheber-Trainer Alexej Ni an - allerdings, weil er zu erfolgreich ist: Seine Schwerathleten haben allein vier Mal Gold gewonnen. "Die Sportwelt wird uns nicht verzeihen, was wir hier in London angerichtet haben", sagte er. "Für Kasachstan ist es besser, wenn ich gehe. Ich gelte schon als odiose Figur", so Ni.
Eventuell wird die Erfolgswelle seinem Land einfach zu teuer: Kasachische Olympiasieger erhalten eine fette Siegprämie von 200.000 Euro.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Russland Aktuell.
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