Kim Jong ist der jüngste Führer in der Welt. Foto: AP
Als Kim Il Sung, der Vater von Kim Jong, im Dezember 211 starb, ahnte keiner, was passieren würde. Doch in den letzten Monaten ging alles so schnell, dass man sich die Augen reiben musste. Erst wurde die Schöne an seiner Seite gezeigt, dann wurde klar, dass es sich um seine Gattin handelt. Und kürzlich inspizierten Kim Jong Un und seine Ehefrau zusammen die Bauarbeiten für einen Vergnügungspark in Pjöngjang. Dort sollen einmal eine Minigolfanlage, ein Schwimmbecken und ein Delfinarium entstehen. Das sind Errungenschaften, die für Nordkorea, eines der ärmsten Länder dieser Welt, nicht selbstverständlich sind. Sie seinen bei ihrem Besuch durch die Baupioniere mit frenetischen „Hurra!“-Rufen begrüßt worden, berichtete die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA, und Kim Jong Un habe einen Blumenstrauß erhalten. Für Länder mit einer sehr restriktiven Informationspolitik wie die Demokratische Volksrepublik Korea, ist dies zweifellos ein Markstein für die zunehmende Öffnung der Medien und eine menschliche Annäherung an den bislang unnahbaren Führer.
Eine weitere Neuerung war Anfang Juli im staatlichen Fernsehkanal der DVR Korea zu sehen: Innerhalb einer bunten Unterhaltungsshow traten plötzlich Schneewittchen, Micky Maus, Winnie-the-Pooh, und andere bislang verpönte westlichen Comic-Helden auf! Die Darsteller gehörten der Gruppe Moranbong an, die auch die ganze Show inszenierte. Wie das Fernsehen berichtete, sei das Ensemble erst vor wenigen Monaten auf persönliche Anordnung des Führers zusammengestellt worden. Während die Figuren tanzten, waren im Hintergrund Ausschnitte aus populären Zeichentrickfilmen wie Dumbo und Die Schöne und das Biest zu sehen. Gegenüber der allein auf Korea fixierten und alles Westliche ablehnende Politik ist das ein totaler Kulturbruch; in etwa so, als ob auf dem Broadway die koreanische Revolutionsoper Ein Meer aus Blut aufgeführt würde.
Zu den unerwarteten Veränderungen zählen auch die bis zu fünf Stunden dauernden täglichen Berichterstattungen der Olympischen Spiele in London. Man ließ das Volk sogar live zusehen, wie den südkoreanischen Sportlern Goldmedaillen verliehen wurden – eine Premiere in der Geschichte der Demokratischen Volksrepublik Korea.
„Was wir zurzeit beobachten, ist eine Änderung des Führungsstils, aber es lässt sich noch nicht sagen, ob sich die politischen Ziele der Führung
geändert haben“, kommentiert Georgij Toloraja, Direktor für koreanische Programme des Instituts für Wirtschaft an der Russischen Akademie der Wissenschaften. Doch die Voraussetzungen dafür seien gegeben: „Es gibt Berichte, dass in Nordkorea Reformen in der Landwirtschaft anstehen. So soll Ende Juni beschlossen worden sein, in den Dörfern anstelle der großen Arbeitsgruppen nur noch vier bis sechs Mann große Brigaden zu bilden." Faktisch handle es sich dabei um Familien, so Toloraja, denen Ackerboden zugewiesen würde, den sie in Eigenverantwortung bestellen könnten. Etwa 30 Prozent des Ertrages dürften sie für sich behalten.
Toloraja macht darauf aufmerksam, dass das keine unbedeutende Reform sei. Denn auch die chinesischen und vietnamesischen Reformen hätten ihren Anfang in der Landwirtschaft genommen. Innerhalb relativ kurzer Zeit wurde dort der Hunger besiegt, und Vietnam verwandelte sich innerhalb von drei Jahren vom Reis-Importeur zum Reis-Exporteur. Für das nordkoreanische Regime sind die chronischen Missernten bis jetzt die Achillesferse. „Vieles spricht dafür, dass in Nordkorea neue Prozesse vonstatten gehen. Offenbar macht die Regierung einen Schwenk weg von dickköpfiger Hartnäckigkeit hin zu moderneren und flexibleren Managementmethoden “, meint Toloraja.
Erst durch ein E-Mail des Stellvertretenden Außenministers der Demokratischen Volksrepublik Korea Choe Su Hon an die südkoreanische Redaktion von Voice of America wurde bekannt, dass vor wenigen Tagen in Singapur inoffizielle Gespräche zwischen nordkoreanischen und amerikanischen Diplomaten stattgefunden hatten. Im Ergebnis des Treffens, so hieß es zunächst in alter Manier drohend, würde die Volksrepublik ihre Atompolitik forcieren, sofern die USA ihre Feindseligkeit nicht einstellen würden. Der Verzicht auf das Atomwaffenprogramm würde "in weite Ferne" rücken. Choe Su Hon gab sich aber zum Schluss seines offenen Briefs versöhnlich: „Wenn hingegen die USA die Beziehung zwischen unseren Ländern verbessern wollen, den Dialog tatsächlich - nicht nur in Worten, sondern auch in Taten - aufnehmen und ihre feindselige Politik aufgeben, sind wir bereit, die Lösung des Problems in Angriff zu nehmen.“
Selbst dieser öffentliche und direkte Appell an die amerikanische Regierung über ein amerikanisches Massenmedium ist eine für Nordkorea äußerst ungewöhnlicher PR-Maßnahme. Es ist bemerkenswert, dass an Stelle der üblichen Drohungen und Muskelspiele zum Dialog aufgerufen wird.
So hatte es auch bei Gorbatschow angefangen...
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