Foto: Wjatscheslaw Swiridow
Für einen Nachmittag wurde das Café Glory Whole in der Oderberger Straße zum Treffpunkt für eine Gruppe Maskierter, die mit ihren Skimasken ihre Solidarität für Pussy Riot zum Ausdruck brachten. Die Punkgruppe steht in Moskau wegen „Rowdytums auf der Grundlage religiösen Hasses“ vor Gericht.
Die Organisatorin der Unterstützungsaktion „Freiheit für Pussy Riot“ war die kanadische Elektroclash-Musikerin Peaches. Gegen 17 Uhr hatte sie in dem Berliner Café ungefähr fünfzig Teilnehmer versammelt, die Mehrheit von ihnen weiblich. Auch eine Vielzahl Pressevertreter wollte sich das Spektakel nicht entgehen lassen.
Die Sängerin Peaches führte die Teilnehmer auf den Fahrstreifen der Straße, wo sie sich zu einem breiten Zug formierten. Auf dem Boden
kniend ahmten sie gebetsartige Verbeugungen nach – genau so, wie es Pussy Riotin ihrem Videoclip getan hatten. Unter den Teilnehmern der Protestaktion herrschte Grabesstille. Anschließend setzte sich der Zug in Bewegung, angeführt von einer in einem grell-grünen Latexdress gekleideten jungen Frau. Transparente mit Aufrufen wie „Freiheit für Pussy Riot“und „Jesus errettet dich, Pussy Riot“ glitten durch die Straßen der Stadt, an verschiedenen Zwischenstopps wurden Auftritte und Tänze dargeboten. Auf ihrem Marsch bekundeten die Demonstranten ihre Solidarität für die russische Punkband und sogar aus vorbeifahrenden Autos waren „PUSSY!“-Rufen zu hören.
Während des Umzugs wuchs die Menge auf etwa einhundert Demonstranten an, deutschen Pressemeldungen zufolge waren es sogar vierhundert. Das Ziel des Protestmarsches war der Berliner Mauerpark, wo eine finale Aufführung stattfand. Man wollte ein Zeichen setzen gegen die Ungerechtigkeit des Gerichtsverfahrens und zur Unterstützung der jungen russischen Musikerinnen.
Die gesamte Aktion dauerte ungefähr zwanzig Minuten und wurde mit mehreren Videokameras aufgenommen. Die anwesenden Polizisten konnten sich recht schnell vom ruhigen Ablauf des Protestes überzeugen und zogen ab. Noch eine halbe Stunde nach dem Ende der Aufführung im Mauerpark tauschten sich zahlreiche Demonstranten und Zuschauer das Geschehen aus.
Blitzumfrage
Der Großteil der Teilnehmer waren Deutsche im Alter von 27 bis 43 Jahren. Von der Aktion hatten die meisten über soziale Netzwerke oder Freunde erfahren.
Juri, 42 Jahre:
Verfolgen Sie das Gerichtsverfahren in den Medien?
-Natürlich. Die heutige Erklärung Nadja Tolokonnikowas wird in die Lehrbücher eingehen und in den Schulen auswendig gelernt werden. Und irgendwann wird man wie in Anekdoten erzählen: Putin, das war doch so ein Politiker zu Zeiten von Pussy Riot.
Glauben Sie denn, dass die Verstöße gegen die Prozessordnung von oben angeordnet wurden?
-Ja, das nehme ich an. Bei diesem Gerichtsverfahren gab es so viele Fehler und so viel Dummheit, vermutlich alles infolge des Drucks vonseiten irgendwelcher mächtiger Strukturen.
Was glauben Sie, beeinflusst Putin persönlich das Gerichtsverfahren in irgendeiner Art und Weise?
-Ich denke schon. Wenn nicht mit seiner Genehmigung, so doch zumindest mit seinem Wissen.
Werden die Mitglieder von Pussy Riot verurteilt werden?
-Ich denke, ja.
Alexander, 29 Jahre:
-Ich glaube, dass Putin das Gerichtsverfahren richtig bewertet hat (hier Link). Er hat damit gezeigt, dass er auf das Verfahren keinerlei Einfluss hat. Alle denken, dass er die ganze Sache angestoßen hat, aber ich glaube, dass sie damit seine Macht überschätzen. Man sollte sich nicht so sehr auf Putin konzentrieren.
Wenn so etwas in Deutschland passieren würde, was hätte das für Auswirkungen?
-Wahrscheinlich gäbe es ebenfalls ein Gerichtsverfahren. Ich denke, dass es sich auch hier um einen Rechtsverstoß handeln würde.
Anne, 25 Jahre:
Halten Sie das Gerichtsverfahren für politisch motiviert?
-Ich glaube, ja.
Wie denken Sie über Putin?
-Negativ.
Warum?
-Ich weiß nicht allzu viel über die russische Regierung. Aber alleine die Tatsache, dass die Mitglieder von Pussy Riotso hart für geringfügiges Rowdytum bestraft werden sollen, hat Auswirkung auf meine Meinung.
Glauben Sie, dass die Mitglieder von Pussy Riotfreigesprochen werden?
-Das kann ich nicht einschätzen. Aber ich denke, allein aufgrund der großen internationalen Resonanz sollte das Gerichtsurteil milder ausfallen.
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