Südossetien: zur Abhängigkeit verdammt

Die wirtschaftliche Depression in der Region treibt Südossetien in den Wirtschaftsraum Russlands. Foto: RIA Novosti

Die wirtschaftliche Depression in der Region treibt Südossetien in den Wirtschaftsraum Russlands. Foto: RIA Novosti

Auch vier Jahre nach seiner Abspaltung von Georgien bleibt die transkaukasische Republik Südossetien wirtschaftlich von Russland abhängig. Ohne eine Annäherung zwischen Moskau und Tiflis wird sich die Situation kaum verbessern.

Ein diplomatischer Skandal hat die Stimmung bei den Olympischen Spielen in London getrübt: Auf der Internetseite der Spiele waren die Republiken Südossetien und Abchasien, die sich von Georgien abgespalten haben, als zum Territorium Russlands zugehörig aufgeführt worden. Das Nationale olympische Komitee Georgiens legte dagegen Protest ein und verlangte eine Korrektur der Angaben.

Dieses eher technische Problem spiegelt die tatsächliche Situation der beiden jungen transkaukasischen Staaten wider: Bis heute ignoriert der Westen ihre Existenz und unterstützt die territoriale Souveränität Georgiens. Südossetien und in geringerem Maße auch Abchasien bleiben dabei finanziell abhängig von Russland.

Nach der Aggression Georgiens im August 2008 pumpte Russland Milliarden Rubel in den Wiederaufbau Südossetiens. Im Jahr 2010 

erklärte der Erste Vize-Ministerpräsident der Russischen Föderation Igor Schuwalow, dass  Russland dem Staatshaushalt der Republik insgesamt 28 Milliarden Rubel (ca. 700 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt habe. 2011 erhielt Südossetien von der Russischen Föderation 2,5 Milliarden Rubel (ca. 62 Millionen Euro) für laufende Ausgaben aus dem Staatshaushalt sowie 3,81 Milliarden (ca. 95 Millionen Euro) für die Umsetzung eines Investitionsprogramms zur Unterstützung der ökonomischen Entwicklung. Im Investitionsprogramm für das Jahr 2012 sind 2,96 Milliarden Rubel (ca. 74 Millionen Euro) vorgesehen, für das Jahr 2013 1,65 Milliarden Rubel (ca. 41 Millionen Euro).

Die Regierung Südossetiens kann sich beim Wiederaufbau kaum auf ihre eigenen Kräfte verlassen, denn die Eigenmittel des Staatshaushaltes sind eher gering. Im Jahr 2008 umfasste dieser lediglich 60 Millionen Rubel (ca. 2,5 Millionen Euro). 2009 waren es 139 Millionen (ca. 3,5 Millionen Euro), 2010 320 Millionen (8 Millionen Euro) und im Jahr 2011 knapp 481 Millionen Rubel (ca. 12 Millionen Euro).

Zum Leidwesen der jungen transkaukasischen Republiken hält sich der Enthusiasmus international seit den Abspaltungen im August 2008 in Grenzen. So haben außer Russland bisher lediglich vier Mitgliedstaten der UNO die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt: Nikaragua, Nauru, Venezuela und Tuvalu. Die Unabhängigkeit Abchasiens wurde außerdem noch von Vanuatu anerkannt.

Die ehemaligen Mitgliedsstaaten der GUS und der OVKS, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, haben sich dagegen bisher geweigert,  Südossetien und Abchasien anzuerkennen.

Nach Meinung von Alexander Karawajew, dem stellvertretenden Direktor des Zentrums zur Erforschung des postsowjetischen Raums der Staatlichen Moskauer Universität, liegt der Grund dafür im „konservativen Schubladendenken“ dieser Staaten. „Sie wollen sich rückversichern. Wenn Kasachstan und Belarus diesen Schritt unternehmen würden, müssten sie wohl kaum mit einer spürbaren Reaktion vonseiten Washingtons rechnen. Sie haben einfach nur beschlossen, auf Nummer sicher zu gehen und das Thema als Joker für zukünftige Verhandlungen mit Moskau einzusetzen“, so Karawajew.

Wirtschaftlich nicht überlebensfähig

Nichtsdestotrotz hat sich Südossetien in den vergangenen vier Jahren zu einem eigenständigen Staat entwickelt. Daran bestünden keine Zweifel, ist der Staatssekretär im Außenministerium und Stellvertretende Außenminister der Russischen Föderation Grigori Karassin überzeugt.

„Mittlerweile sind alle notwendigen Attribute einer Staatsordnung

vorhanden, einschließlich eines funktionierenden Systems aus Legislative, Exekutive und Judikative. Der südossetische Staat kontrolliert sein Territorium, entwickelt die nationale Wirtschaft weiter, kümmert sich um die Kultur und Bildung. Außerdem konnte sich im Land eine sehr aktive parteipolitische Tätigkeit entfalten, was wir bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr sehr gut sehen konnten. Kurz und gut: Es bildet sich eine Bürgergesellschaft heraus, der nicht alles gleichgültig ist“, schätzt Karassin ein.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung könne man nach Meinung von Experten jedoch noch nicht davon sprechen, dass Südossetien ein vollwertiger Staat sei.

„Die wirtschaftliche Depression in der Region treibt Südossetien in den Wirtschaftsraum Russlands. Das schließt sowohl die Abhängigkeit von russischen Krediten, als auch vom russischen Markt ein, auch vom Arbeitsmarkt. Das Problem ist, dass  Südossetien keine ausreichende Grundlage für seine Wirtschaftsentwicklung hat“, meint Karawajew.

Deshalb befände sich Südossetien in einer Situation, in der es nur mit engen wechselseitigen Beziehungen überleben kann, entweder zu Georgien oder Russland.

„Dadurch, dass wir Südossetien als unabhängigen Staat anerkannt haben, haben sie als ein beliebiges Verwaltungssubjekt Anspruch auf Subventionen der Russischen Föderation. Südossetien ist vollkommen von uns abhängig“, ergänzt der Experte.

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Konflikt zwischen Russland und Georgien behindert Südossetien

 

Nach Meinung Karawajews kann die Situation nur durch eine Normalisierung der Beziehung zwischen der Russischen Föderation und Georgien verbessert werden. Dadurch könnte Südossetien das Transitpotential vollständig für seine Entwicklung nutzen.

Doch es ist noch ein weiter Weg bis zum Aufbau normaler Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und Georgien, zwischen denen bis heute noch nicht einmal diplomatische Beziehungen existieren. Moskau erklärte seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit jedem Oberhaupt Georgiens – es sei denn, es handelt sich um Micheil Saakaschwili.

In Georgien wurde unterdessen das Gesetz „Über die besetzten Gebiete“

verabschiedet. So bezeichnet Tiflis die ehemaligen autonomen Republiken Abchasien und Südossetien, die sich von Georgien abgespalten haben. Dem Gesetz zufolge ist ein Besuch der souveränen Staaten, die Georgien immer noch als seine eigenen Gebiete betrachtet, ohne Kenntnis und Genehmigung Tiflis‘ eine Straftat. Diese wird entweder mit einer drakonischen Geldstrafe oder aber einer Haftstrafe von bis zu vier Jahren geahndet. Die Führung Georgiens verkündete, dass das Gesetz automatisch seine Rechtskraft verlieren würde, wenn Russland seine Truppen aus Abchasien und Südossetien abzöge.

Eine Annäherung Moskaus und Tiflis‘ wird zudem dadurch verhindert, dass bei den Genfer Gesprächen kein Konsens in Bezug auf Transkaukasien gefunden werden konnte. Der größte Stolperstein bleibt dabei auch weiterhin die Unterzeichnung des Vertrages über die Nichtanwendung von Gewalt. Tiflis möchte diesen Vertrag nicht mit den Regierungen in Zchinwali und Suchumi unterzeichnen, da es sich bei dem Konflikt um einen rein georgisch-russischen handele. Moskau besteht seinerseits auf einer juristischen Verpflichtung Georgiens bezüglich eines Nichtangriffs auf Südossetien und Abchasien.

Gekürzte Fassung. Die vollständige Version ist zu finden auf: http://ria.ru/world/20120808/718783705.html

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