Moskauer Bahnhöfe: außen hui, innen pfui

Der Komsomolskaja-Platz (Platz der drei Bahnhöfe) in Moskau, an dem sich der Leningrader, der Jaroslawler und der Kasaner Bahnhöfe befinden. Foto: Vladimir Vyatkin/RIA Novosti

Der Komsomolskaja-Platz (Platz der drei Bahnhöfe) in Moskau, an dem sich der Leningrader, der Jaroslawler und der Kasaner Bahnhöfe befinden. Foto: Vladimir Vyatkin/RIA Novosti

Die einst so großartigen und innovativen Bahnhöfe Moskaus wurden während der letzten 50 Jahre keiner ernsthaften Renovierung mehr unterzogen. Von außen herrlich anzusehen, wurden sie im Inneren ganz allmählich zu Zufluchtsstätten für Obdachlose und zu Tummelplätzen für Taschendiebe und Straßenhändler. Das soll sich jetzt ändern.

Mittlerweile zählen die Moskauer Bahnhöfe zu den unangenehmsten Plätzen der Stadt. Vermutlich aus diesem Grund ist das ehrgeizige Renovierungsvorhaben der Stadtregierung unter den Moskauern so populär. Derzeit erleben der Pawelezer Bahnhof, der Leningrader, der Sawjolowoer und der Rigaer Bahnhof eine grundlegende Überholung. 2013 sollen der Kasaner, der Jaroslawler, der Kiewer und der Weißrussische Bahnhof an der Reihe sein.


Sergej Abramow, Leiter der Bahnhofsbereichs bei der staatlichen Bahngesellschaft Rossijskije schelesnyje dorogi (RSchD),sieht das Hauptziel der Modernisierung darin, die Bahnhöfe in Transportknoten mit einer kombinierten Reise- und Geschäftsverkehrsfunktion zu verwandeln. Die Umgestaltung soll Bahnreisen für die Passagiere noch bequemer machen, unter anderem durch englischsprachige Aufschriften sowie qualitativ höherwertige gastronomische Bereiche und Einkaufsmöglichkeiten.

„So wollen wir einen Qualitätsservice zum Wohle der Kunden schaffen und dabei die vorhandenen Gebäudeinfrastrukturen erhalten. Die meisten Bahnhöfe sind architektonische Denkmäler“, erklärte Abramow in einem Interview gegenüber der Tageszeitung Iswestija.

Doch die Wahrung der architektonischen Integrität der

denkmalgeschützten Bahnhöfe, die sich so harmonisch in das Moskauer Stadtbild einpassen, könnte die Renovierung zu einem schwierigen Unterfangen machen. „Es ist sehr schwierig, eine Grundsanierung durchzuführen oder einen modernen Gebäudekomplex komplett neu zu bauen“, so Abramow. „Das haben wir nicht vor.“

Eines der Hauptprobleme vor der Renovierung war die Räumung der Geschäfte und Cafés, die sich in den Bahnhöfen und ihrer Umgebung befanden. Viele von ihnen waren nach dem Zerfall der Sowjetunion wie Pilze aus dem Boden geschossen und werden heute als Schandfleck betrachtet. Einige Eigentümer reichten Klage gegen die Stadt und die Baufirmen ein, um ihre lukrative Position zu verteidigen, doch nur wenige waren erfolgreich.

Renovierung ist nur die halbe Miete


Boris Uborjewitsch-Borowski, Direktor des Architekturbüros Ub_design und Professor an der Moskauer Hochschule für Architektur, gehört prinzipiell zu den Befürwortern des Vorhabens. Dennoch, so schränkt er ein, würden mit dem Projekt nur halbe Sachen gemacht.

 

Moskau ist eine große Stadt und die Bahnhöfe behindern deren Infrastruktur, sie machen das Leben schwerer“, sagt er. „Es gibt in ihrer Umgebung viele Betriebsgebäude, die wertvollen Baugrund im Stadtzentrum besetzen. Außerdem schneiden die Eisenbahngleise, die zu den Bahnhöfe führen, andere Infrastruktur-Trassen ab.“

 

Der Architekt schlägt stattdessen vor, die Bahnhöfe weg vom Zentrum und näher an den Moskau umgebenden Autobahnring zu verlagern, ähnlich den Flughäfen. Dort gäbe es mehr Platz für die technische Infrastruktur und die nötigen Autoparkplätze.

 

Für die alten Bahnhöfe müsste dann ein neuer Verwendungszweck gefunden werden. Der Weißrussische Bahnhof wurde beispielsweise Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet, als der Platz Twerskaja Sastawa sich noch am Moskaus Stadtrand befand. Nach Meinung Uborjewitsch-Borowskis hätten die Passagiere heute jedoch nicht mehr das Bedürfnis, unmittelbar im Stadtzentrum anzukommen. In Europa und Großbritannien seien viele alte Bahnhöfe in Kunstgalerien verwandelt worden, da man die Zahl der Eisenbahngleise im Zentrum einer modernen Stadt nur noch schwer erhöhen könne.

Doch Uborjewitsch-Borowski gibt zu, dass der Bau neuer Bahnhöfe teuer werden würde. „Wenn die Stadt es nicht schafft oder es sich der Staat nicht leisten kann, bleibt nur eine Alternative: die vorhandenen Bahnhöfe zu renovieren“, äußerte er sich in der Zeitung TheMoscow News. „Das wäre zwar nur die halbe Miete, aber es ist notwendig, um die Bahnhöfe vor ihrem Verfall zu retten. Und die Passagiere, von denen viele zu den Flughafen-Terminals gelangen wollen, sind an einen bestimmten Bequemlichkeitsgrad gewöhnt.“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitung The Moscow News

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