Wohltätigkeit mit Designer-Klamotten

"Lawka Radostej" ist der erste Wohltätigkeitsladen in Moskau. Foto: Vereinigung "Wsje wmeste"

"Lawka Radostej" ist der erste Wohltätigkeitsladen in Moskau. Foto: Vereinigung "Wsje wmeste"

In Moskau wurde der erste Wohltätigkeitsladen der russischen Hauptstadt "Lawka Radostej", "Laden der Freuden", eröffnet. Bereits am ersten Tag kamen etwa 3.000 Euro zusammen.

Katja Bermant, Gründerin des Wohltätigkeitsfonds "Kinderherzen" und Initiatorin dieses ungewöhnlichen Projekts, berichtete der Zeitung Moskowskije Nowosti, wie der erste Wohltätigkeitsladen Moskaus funktioniert.

 

- Ist die Idee, einen Wohltätigkeitsladen zu eröffnen, neu oder gibt es so etwas bereits?


- Natürlich gibt es das bereits anderswo. Bei uns gibt es nichts, was wir uns selbst ausgedacht hätten. Der Westen ist uns in der Wohltätigkeitsbewegung um zwei Jahrhunderte voraus. Russland war seit jeher ein rückständiges Land, auch schon vor der Revolution, und durch die 70 Jahre Sowjetmacht sind wir zu einem Dritte-Welt-Land geworden. Deshalb brauchen wir all das was man sich im Westen ausgedacht hat nur zu übernehmen. Es gibt längst alles. Wir müssen es nur noch in der für unser Land geeigneten Weise umsetzen, schließlich gibt es bei uns gewisse Besonderheiten. So verfügen die Wohltätigkeitsläden in London beispielsweise über eine gesetzliche Grundlage. Dort existieren Gesetze, die nicht nur den normalen Handel, sondern eben auch die Wohltätigkeitsläden regeln. Bei uns gibt es weder solche Gesetze noch derartige Begriffe wie "Wohltätigkeitsladen". Deshalb verkaufen wir unsere Ware nicht, wir geben sie gegen eine Spende ab.

- Worin besteht der Kern der Arbeit eines Wohltätigkeitsladens?


- Die Leute geben bei uns kostenlos Dinge ab, die sie irgendwann einmal mit Liebe für sich selbst ausgesucht und gekauft haben. Es handelt sich also in der Regel um gute Sachen. Doch irgendwann brauchen sie diese Dinge nicht mehr. Dann holen sich andere Menschen die Sachen gegen eine Spende bei uns ab. Hier hat nichts seinen festen Preis. Der Kunde legt selbst fest, wie viel Geld er bereit ist, für dieses oder jenes Stück auszugeben. Da wir weder Geld für Miete noch für Verkäufer ausgeben, sind wir mit jedem Preis einverstanden.

- Wie kommt es, dass keine Kosten für die Unterhaltung des Ladens anfallen?


- Der Verkaufsraum, ein etwa 25 Quadratmeter großes Zimmer, wurde uns kostenlos von der Galerie "Welt der Puppen" zur Verfügung gestellt. Die

Wände und Kommoden haben wir selbst liebevoll gestrichen und dekoriert. Alle Arbeiten wurden von Freiwilligen, deren Kindern, Familien und Freunden ausgeführt. Wir geben auch kein Geld für Verkäufer aus. Hier arbeiten nur Freiwillige, die abwechselnd ihren Dienst tun. Juristisch gesehen gibt es uns überhaupt nicht. Bei unserem Wohltätigkeitsladen handelt es sich um ein langfristiges Projekt der karitativen Vereinigung "Wsje wmeste", "Alle zusammen".

- Wofür werden die eingenommenen Gelder verwendet?


- Der „Käufer“ legt das Geld in einen Spendentopf. Am Ende des Tages wird dieser geöffnet. Die Einnahmen werden schriftlich festgehalten. Das Geld wird dann auf das Konto von "Wsje wmeste" überwiesen. Anschließend setzen wir uns zusammen und überlegen gemeinsam, für welches der Projekte unserer Vereinigung das Geld im jeweiligen Monat eingesetzt wird. "Wsje wmeste" ist eine Vereinigung von Moskauer karitativen Einrichtungen und Freiwilligenorganisationen. Wir haben sehr viele gemeinsame Projekte. So ist es uns zurzeit wichtig, ein Handbuch mit "Adressen der Barmherzigkeit" herauszugeben, das Adressen und Telefonnummern von sämtlichen registrierten karitativen Organisationen enthält. Ein solches Handbuch wird sowohl von denjenigen, die Hilfe brauchen, als auch von denjenigen, die Hilfe leisten möchten, benötigt. Es ist bereits fertig, es muss nur noch herausgegeben werden.

Katja Bermant, Gründerin des Wohltätigkeitsladens "Lawka Radostej". Foto: Vereinigung "Wsje wmeste"

- Wie viele Dinge wurden zur Eröffnung angeliefert?


- Unmengen! Es ist unmöglich alles aufzuzählen. Wir konnten gar nicht alles aufhängen oder ausstellen. Wir erhielten völlig neue Sachen und sogar Designer-Kleidung. So hat uns beispielsweise eine Designerin mit Namen Makaron Kleider von sich zur Verfügung gestellt. Und auch die bekannten Designerinnen Sultana Franzusowa und Veronika Bascharatjan brachten Kleider vorbei. Es werden auch noch weitere Designer mitmachen, doch momentan ist Sommer und viele sind gerade in Urlaub.

- Gibt es in Russland ähnliche Wohltätigkeitsläden?


- In St. Petersburg gibt es den Laden "Spasibo", "Danke". Auch in Wolgograd gibt es einen entsprechenden Laden. Wir arbeiten eher nach dem Wolgograder Modell, auf Spendenbasis. In St. Petersburg läuft das Ganze nämlich als Einzelunternehmen.

- Sie könnten also theoretisch von Mitarbeitern der Steuerbehörde schikaniert werden?


- Dafür fehlen die rechtlichen Grundlagen, da wir keinen Handel betreiben. Es ist absolut legal, Geld in einem Spendentopf zu sammeln. Von dem gesammelten Geld müssen keine Steuern abgeführt werden. Das Geld wird direkt auf unser Konto eingezahlt. Jeden Monat legen wir auf unserer Webseite Rechenschaft darüber ab, wie viel Geld wir gesammelt haben. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, keinen Handel zu betreiben, da die gesetzlichen Grundlagen dafür fehlen.

- In welcher Hinsicht unterscheiden sich die Wohltätigkeitsläden im Ausland von Ihrem Laden?


- Sie betreiben echten Handel, allerdings sind sie von der Steuer befreit und der Staat übernimmt fast die ganze Miete für die Räumlichkeiten, da es sich um ein soziales Unternehmen handelt. So etwas gibt es bei uns nicht. Sobald es bei uns entsprechende Gesetze gibt, werden auch wir unser Organisationsschema umstellen. Obwohl es durchaus möglich ist, dass sich unsere Abgeordneten etwas absolut Absurdes ausdenken.

 

- Welche Position werden Sie in diesem Laden einnehmen?

 

- Ich werde keine besondere Position einnehmen. Ich habe mir das Projekt ausgedacht und umgesetzt. Ab sofort wird sich ein Projektleiter um alles kümmern. Ich bin nur die Initiatorin. Ich denke mir etwas aus und setze es in die Tat um. Anschließend möchte ich, dass jemand den „Staffelstab“ von mir übernimmt. Dann kann ich mir wieder etwas Neues überlegen. 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitung Moskowskije Nowosti.

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