Laut Experten steht Präsident Wladimir Putin an der Spitze des "Politbüros 2.0" und tritt als oberster Schiedsrichter auf. Foto: AP
Nach der Auflösung des Tandems (Wladimir Putin
und Dmitri Medwedew) gehört die Macht in Russland den Experten zufolge
mehreren Clans, die um die Ressourcen des Landes konkurrieren. Acht
Chefs dieser Clans wurden von Mintschenko und Petrow in das so genannte
„Politbüro 2.0“ mit Präsident Putin an der Spitze aufgenommen. Putin tritt dabei als oberster Schiedsrichter auf.
Premier Dmitri Medwedew gehört nicht mehr dem Tandem
an, ist aber ein enger Vertrauter Putins. Er musste seine eigenen
politischen Ambitionen aufgeben und verlor seine Protegés in den
Sicherheitsstrukturen. Dennoch hat er dank seines Premiersamts seine
eigene Gruppierung, der mehrere Vizepremiers, Minister, Regionalchefs,
Top-Juristen in Gerichten, im Parlamentsunterhaus und
Rechtsschutzorganen sowie Unternehmer angehören.
Die anderen
Mitglieder des „Politbüros 2.0“ sind Präsidialamtschef Sergej Iwanow,
der um Ausgleich zwischen den Elitecliquen bemüht ist. Hinzu kommt sein
Stellvertreter Wjatscheslaw Wolodin, der in der Wirtschaft nichts zu
sagen hat, aber in der Kreml-Partei Geeintes Russland, im Parlament und
bei einigen Gouverneuren große Anerkennung erfährt.
Rosneft-Chef Igor Setschin
ist den Experten zufolge weiterhin ein
wichtiger Ansprechpartner für
einen Teil der russischen Bürokraten und Unternehmer, indem er informell
die Sicherheitsbehörden unter Kontrolle hält. Bei seinen Bemühungen um
die Führungsrolle im Brennstoff-Energie-Komplex stößt er allerdings auf
starken Widerstand, darunter seitens der Mitglieder des „Politbüros
2.0“, wie dem Unternehmer Gennadi Timtschenko und Juri Kowaltschuk.
Außerdem gehören dem Gremium der Moskauer Oberbürgermeister Sergej
Sobjanin und der Generaldirektor der Technologieholding Rostechnologii,
Sergej Tschemesow, an. Letzterer ist die graue Eminenz in der
Rüstungsindustrie.
Ein Beamter des Präsidialamtes stimmte den
Ergebnissen der Studie von Mintschenko und Petrow grundsätzlich zu. Das
Elite-Modell habe sich seit den Sowjetzeiten kaum verändert, sodass der
Vergleich mit dem einstigen Politbüro gerechtfertigt sei, betonte er.
Ein
anderer Staatsbeamter ist mit Mintschenkos Schlussfolgerungen jedoch
nicht einverstanden: Nach seinen Worten haben Personen wie der erste
Vizepremier Igor Schuwalow, Sberbank-Präsident German Gref, Putins
Assistent Jewgeni Schkolow oder Oligarch Arkadi Rotenberg genauso viel
Einfluss. Außerdem verwies der Insider darauf, dass einige Personen aus
Putins Umfeld zuletzt an Einfluss verloren haben und der Staatschef
seine Entscheidungen eher allein treffe.
Politikexpertin Olga Kryschtanowskaja bemängelte ihrerseits, dass in der Mintschenko-Studie die politische Krise im Land nicht berücksichtigt worden sei und sich einzelne Mitglieder des „Politbüros“ voneinander durch ihre Einstellung zu der beginnenden Revolution und der Protestbewegung unterscheiden. In diesem Sinne ist Medwedew ihr zufolge eher der Opposition zuzurechnen.
Der Politologe Igor Bunin findet, dass jedes Mitglied des neuen „Politbüros“ seinen eigenen Zuständigkeitsbereich habe und sich nicht in fremde Angelegenheiten einmische. Medwedew besitze dabei größere Autorität als andere.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei RIA Novosti.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!