Kinder-Galakonzert „Diese Welt gehört uns“ fand in Bonn im Rahmen des Russlandjahres in Deutschland statt. Foto: Dmitry Vachedin
Sportbewusste Bürger der Stadt Bonn dazu zu bringen ihre abendlichen Fahrrad- und Joggingrunden zu unterbrechen, ist ein schwieriges Unterfangen. Gute Gründe anzuhalten gab es am Freitag, den 24 August, in der Rheinaue. Mitten im Park wurde gelasert, gefunkelt, getanzt und vor allem gesungen. Schon bald gesellten sich zum Publikum auf den Sitzplätzen Fahrradfahrer und Menschen in Jogginganzügen. Auf der mit deutschen und russischen Requisiten festlich geschmückten Bühne wurde das Gala-Konzert „Diese Welt gehört uns“, präsentiert.
Die Show im Rahmen des Russlandjahres in Deutschland erwies sich als hochqualitativ und unterhaltsam. Die Organisatoren hätten ohne allzu große Mühe das Zehnfache an Zuschauern anlocken können.
Dabei war die Revue nur der Höhepunkt eines langen Abends im Rheinaue-Park. Zunächst gaben Mütter und Väter ihre Kinder in die Obhut von Frauen in russischer Nationaltracht, die den Kindern handwerkliche Fähigkeiten wie etwa das Anfertigen von Vogelpfeifen aus Ton oder das Bemalen von Puppen beibrachten. Zu beobachten, wie Großmütterchen in Nationaltracht mit russischen, deutschen und türkischen Kindern kommunizierten, war einmalig und ein Genuss.
Nicht weit von den Handwerkszelten entfernt, befand sich der Stand eines Eisverkäufers, vor dem sich rasch schlangenweise junge Artisten versammelten. Die Jungs aus dem tschetschenischen Ensemble „Dajmochk“ bevorzugen, laut meiner kleinen, empirischen Untersuchung, das Schokoladeneis, die Mädchen dagegen Vanille- und Erdbeersorten.
Vollgetankt mit Eis breiteten sich die tschetschenischen Jungs auf einer Grünfläche, so groß wie ein Fussballfeld, aus und spielten selbstvergessen Fussball mit einer leeren Plastikflasche. „Wäre ich nicht hier, würden sie alles auf den Kopf stellen“, sagt zu mir ein ruhiger, schmaler Mann im Rosa Polohemd. Ramsan, heißt er, und ist Leiter des Ensembles aus Tschetscheniens Hauptstadt Grosny. Werden die Kinder vom wilden Fußballspiel nicht müde? Schließlich müssen sie bald auf die Bühne, frage ich naiv. „Nö“, antwortet Ramsan ganz trocken. Er kennt seine Jungs.
Schließlich ist das Ensemble bereits zum vierten Mal in Deutschland, vom übrigen Europa ganz abgesehen. Die Kinder allerdings, die noch im Vorfeld der Show um die Bühne kreisten, wirken auf mich nun tatsächlich etwas übermüdet und ihres eigenen Ruhmes übersättigt. Schließlich ist es nur für uns, die Zuschauer, eine Show. Für die Kinder ist es in erster Linie Arbeit. Mit ihrer Professionalität stellen sie so manche Erwachsene in den Schatten.
Für beste Unterhaltung sorgte bei der Eröffnung des Konzerts der Generalkonsul Russlands in Bonn, Jewgenij Schmagin, mit seiner vor Emotionen sprühenden Rede auf Deutsch. "Russische Kinder sind die besten Kinder der Welt", rief er ins Publikum, um gleich die Kurve zu kriegen: "sie sind genauso gut wie die Kinder in Bonn". Warum die ganze Show? – wollte der Diplomat vom Publikum wissen. "Na, weil Deutschland und Russland strategische Partner sind und somit gemeinsame Interessen haben", sagte er beinah mit einem Augenzwickern.
Das Programm sprühte vor Komplimenten an Deutschland mit einem leichten Hauch von DDR-Nostalgie: Trabants und DDR-Kosmonaut auf dem Hintergrundbildschirm, das Lied "Karl-Marx-Stadt" in beiden Sprachen gesungen. Sogar die deutsche Automobilindustrie wurde in die Show mitintegriert und gepriesen. "Deutsche Autos schenken den Kindern auf der ganzen Welt Sicherheit", sagte die deutschsprachige Co-Moderatorin. Natürlich hätten Russlands Vertreter wohl gern im Gegenzug etwas wie "russisches Erdgas hält die deutschen Kinder warm" gehört, doch momentan beherrschen andere Schlagzeilen Russlands Medienbild. Äußerst unterhaltsam war es den Dialog zwischen dem russischen Moderator und seiner deutschen Co-Moderatorin zu verfolgen. Leider kamen nur zweisprachige Zuschauer in den vollen Genuss. So nannte zum Beispiel der russische Moderator seine Kollegin, Barbara, ganz zwanglos "Warwara" - auf die russische Art eben.
Doch nicht die feurige Rede des russischen Diplomaten und auch nicht der wortgewandte Moderator mit blondem Lockenkopf à la Gottschalk waren der Grund dafür, dass Sportfreunde im Park vor der Bühne anhielten. Was diese Kinder zustande gebracht haben war wirklich enorm. Mein Herz jedoch gehört allein dem Ensemble "Lapuschki" (Zuckermädchen) vom Ural. Die kleinste Solistin – höchstens 5-6 Jahre alt – kann ich mit bestem Willen kein Zuckermädchen nennen, dieses Allround-Talent ist ein Wunder. Was sie an Professionalität und Temperament gezeigt hat, überstieg alle meine Erwartungen. Wenn der Moderator am Ende behauptet "der heutige Abend hat gezeigt, dass russische und deutsche Kinder sehr ähnlich sind" kommt von mir nur ein "Nö". Diese Kinder sind weder russisch, noch deutsch. Wahrscheinlich kommen sie von einem anderen Planeten.
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