Güterbahnhof Sljudjanka: Die Station liegt auf halber Strecke nach China am Baikal-See. Foto: Lori/Legion Media
Die russische Eisenbahn RZD – eines der weltweit größten Bahnunternehmen – steht vor einem massiven Umbau: Der Konzern will den interkontinentalen Frachtgutverkehr stärken. „Für uns ist insbesondere der Korridor von der EU über Russland bis an den Pazifik wichtig“, betonte der Vorstandsvorsitzende Wladimir Jakunin auf der Fachtagung „Strategische Partnerschaft 1520“ Anfang Juni in Sotschi. Es gehe darum, eine rentable und sichere Alternative zum Seeweg zu finden, über den bislang rund 95 Prozent aller Waren von Asien nach Europa befördert werden.
Europa-Asien-Korridor
Der Hintergrund: Für viele Unternehmen ist China die zukünftige globale Wirtschaftssupermacht. Nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds IWF vom vergangenen Jahr wird das Land schon 2016 die USA vom ersten Platz verdrängen. Dem schnellen Transport von Gütern aus Europa nach Asien kommt damit eine neue, immens wichtige Bedeutung zu. An diesem lukrativen Geschäft will die RZD teilhaben: Denn ein Großteil der Strecke führt durch Russland.
RZD hat bis Ende Mai seine Frachtgutzahlen im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum um 3,6 Prozent auf 522,2 Millionen Tonnen erhöht. Zum Vergleich: DB Schenker Rail, der größte Bahndienstleister für Frachtgut in Europa, hat im ersten Quartal 2012 einen Rückgang von vier Prozent hinnehmen müssen. Jakunin machte keine Prognosen, wie sich die bisherigen Volumina durch den neuen Europa-Asien-Korridor erhöhen könnten.
Auch der stellvertretende Präsident der EU-Kommission, Siim Kallas, äußerte sich optimistisch zur Zukunft der Strecke: „Die Transsibirische Eisenbahn ist eine wichtige Verkehrsader, um den Warenaustausch noch weiter voranzutreiben.“ Allerdings fordert er für ein Funktionieren des Korridors eine zweispurige Bahn, die vollständig elektrifiziert ist. Die beteiligten Länder, so Kallas, müssten einheitliche Regeln für die Verkehrssicherheit und technische Standards entwickeln sowie die Rechtssysteme aufeinander abstimmen.
Große Pläne für die Schiene
In den Zukunftsplanungen der EU spielt die Bahn eine wichtige Rolle. Nach dem Weißbuch der EU aus dem Jahr 2011 soll bis 2050 etwa 50 Prozent des derzeitigen Verkehrs auf Europas Straßen unter anderem auf die Schiene verlagert werden. Auch weltweit wächst die Bedeutung der Bahn. Bis 2030 wird der Gesamtumsatz aller Transportmittel bei elf Billionen Dollar liegen. Ein Viertel davon werden die Bahnen generieren, so die Fachleute. Russland, das über ein großes Netz verfügt, hat ein gehobenes Interesse, es auszubauen. Das Besondere daran: Die Russen fahren auf einer Spurweite von 1520 Millimetern, die Westeuropäer haben 85 Millimeter weniger.
Siemens-Züge für Sotschi
Die Deutschen engagieren sich bereits jetzt schon stark auf dem Schienensektor. Die DB Schenker Rail etwa beliefert von Deutschland
aus eine BMW-Niederlassung in China. Die Züge legen die Strecke von 11 000 Kilometern in 23 Tagen zurück. Auf dem Seeweg, der doppelt so lang ist, benötigt die Fracht 46 Tage – also auch die doppelte Zeit. „Diese Bahnstrecke muss auch in der Hälfte der Zeit machbar sein“, forderte in Sotschi Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Er setzte sich unter anderem für einen einheitlichen Frachtbrief ein, der in sämtlichen Transitländern gelten soll. „Wir unterstützen diese Projekte und setzen auf Globalisierung“, betonte der Minister. Eine Absage erteilte er gleichzeitig der von manchen Politikern geforderten Rückkehr zu regionalen Transporträumen.
Die Stärkung des Frachtgutgeschäfts ist aber nur ein Teil der Gesamtstrategie der russischen Eisenbahn. Das Unternehmen will ebenso den Service beim Passagierangebot verbessern. Dazu gehört die Fertigung hochmoderner Züge und Waggons, die die Russen gemeinsam mit Siemens herstellen.
Im vergangenen Jahr haben die Partner den Ausbau der Produktion durch Investitionen in Höhe von mehreren 100 Millionen Euro angekündigt. Siemens wird unter anderem Regionalzüge für Sotschi liefern.
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