Die Ziele der russischen Opposition

Die russische Opposition tritt in der neuen politischen Saison mit veränderten Losungen auf und fasst neue Ziele ins Auge. Foto: Ricardo Marquina Montañana / RBTH

Die russische Opposition tritt in der neuen politischen Saison mit veränderten Losungen auf und fasst neue Ziele ins Auge. Foto: Ricardo Marquina Montañana / RBTH

Die Debatte um Pussy Riot wirkt sich auch auf die russische Oppositionsbewe-gung aus. Neben der Forderung nach ehrlichen Wahlen werden die zunehmenden Repressalien der Regierung Hauptthema im politischen Herbst sein.

Neue Protestaktionen und die Überwachung der Regionalwahlen: Das sind die erklärten Hauptziele der russischen Oppositionsbewegung. Angesichts aktueller Entwicklungen gehen russische Beobachter aber davon aus, dass neue Themen hinzukommen. Hierzu gehören insbesondere die Freilassung politischer Häftlinge, soziale Forderungen sowie der Kampf gegen eine zu starke Verzahnung von Staat und Kirche.

 

Nach Ansicht des Politologen Alexej Muchin werden die sozialen Forderung der Opposition im Herbst besonders aktuell, wenn die aus dem Urlaub zurückkehrenden Russen die Preiserhöhungen der Stadtwerke zu spüren bekommen. Die neuen Tarife traten am 1. Juli fast unbemerkt in Kraft, während Politik und Gesellschaft über andere brennende Themen diskutierten, insbesondere über Pussy Riot und den Gesetzentwurf über ausländische Agenten.

 

Deshalb wird nach Ansicht von Muchin die Opposition diesen Herbst aus den sozialen Forderungn kein Hauptthema machen, obwohl diese bei den Russen traditionell gut ankommen. Vielmehr werde man bewusst die Repressalien der Regierung kritisieren. "Es geht einmal mehr um die Gerichtsverhandlung gegen die jungen Frauen von Pussy Riot sowie das Schicksal der noch immer inhaftierten Teilnehmer der Anti-Putin-Demo vom 6. Mai, die die Opposition als politische Häftlinge betrachtet", so Muchin.

 

Streit um Pussy Riot


Die Forderung nach Freilassung der politischen Häftlinge ist allerdings auch in der russischen Opposition umstritten, was noch dadurch verstärkt

wird, dass der Status eines politischen Häftlings in Russland nicht gesetzlich geregelt ist. Die Opposition konnte sich bislang nicht darauf einigen, ob die jungen Frauen von Pussy Riot als politische Gefangene gelten oder nicht. Einig sind sich die Oppositionellen aber bezüglich der im Mai inhaftierten Demonstranten. Man verspricht, dass man bei dem für den 15. September geplanten "Marsch der Millionen" die Teilnehmer der vorherigen Aktion keinesfalls vergessen wird. "Natürlich wird es kein so großes Aufsehen wie bei Pussy Riot geben, doch die Verhaftungen vom 6. Mai werden eine wichtige Rolle spielen", erklärte der Vertreter des Rechtsschutzprojekts "RosUznik" Sergej Wlasow.

 

Eine wichtige Aufgabe der nicht systematisch organisierten Protesbewegung besteht auch in ihrer eigenen Legitimierung. Zu diesem Zweck wählt die Protestbewegung Ende Oktober aus ihren Reihen einen Koordinationsrat, der ein koordiniertes Vorgehen der Aktivisten und Oppositionspolitiker ermöglichen soll. Im heutigen Russland wurde bereits unzählige Male der Versuch unternommen, solche Strukturen zu schaffen – stets ohne Erfolg. Bei dem nun angestrebten Koordinationsrat stehen die Chancen auf eine Legitimierung jedoch erheblich besser, da die Oppositionellen echte Wahlen durchführen, die sowohl im Internet als auch in Wahlkreisen in den russischen Regionen stattfinden. Für den Koordinationsrat kandidieren nicht nur professionelle Oppositionelle, sondern auch unbekannte Aktivisten wie der Aktionskünstler Artjom Loskutow.

 

"Meine Aufgabe besteht unter anderem darin, das Thema Kirche in den Reihen der Opposition voranzutreiben. Die Politiker fürchten sich davor und versuchen, sich von der Aktion der Punkgruppe Pussy Riot zu distanzieren. Wenn die Politiker nicht den Mut finden, sich gegen das Verschmelzen von Kirche und Staat auszusprechen, dann werde ich diese Rolle übernehmen. Meine Aufgabe wird nicht allen gefallen, doch man muss sich gegen die Klerikalisierung der Gesellschaft wehren", meint Loskutow.

 

Nach der Gerichtsverhandlung gegen Pussy Riot waren die Beziehungen

zwischen Kirche und Gesellschaft tatsächlich eines der am häufigsten erörterten Themen in der Presse. Der Politologe Wladimir Pribylowskij zweifelt jedoch am Erfolg antikirchlicher Slogans. "Ja, die Opposition ist mit dem Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft unzufrieden, doch glaube ich nicht, dass antiklerikale Forderungen unter den ersten zehn Punkten zu finden sein werden", führt der Experte  aus. 

 

Forderung nach ehrlichen Wahlen


Eines der Hauptthemen der Opposition bleibt die Forderung nach ehrlichen Wahlen. Als die Wahlen zur Staatsduma und die Präsidentschaftswahlen stattfanden, haben die Aktivisten begonnen, nicht länger nur auf Plätzen zu skandieren, sondern sich als Beobachter registrieren zu lassen und anschließend mobile Gruppen zur Vermeidung von Wahlfälschungen zu organisieren. Die Opposition verspricht, dass sie auch die für den 14. Oktober angesetzten Regionalwahlen ebenso aufmerksam kontrollieren werde.

 

"Ich war bei den Duma-Wahlen im vergangenen Sommer in der Kleinstadt Kasimow als Beobachter im Einsatz. Ich glaube, dass eben deshalb, weil die Wahlen ehrlich abliefen, der Kandidat der Regierungspartei nicht 95%, sondern nur 55% erhielt. Nun wird der Ort Chimki in der Nähe von Moskau zum Schlachtfeld. Dort reichen unsere Kräfte, um alle Wahlbezirke abzudecken und keine Verstöße zuzulassen", erklärt Rustam, der im Auftrag der Union der Beobachter Russlands bei den Wahlen im Einsatz ist. Übrigens verlautete in der Zentralen Wahlkommission bereits, dass tatsächlich ein rekordverdächtiger Ansturm von Beobachtern in den Wahlbezirken erwartet werde.

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