Ölförderung in der Arktis birgt zu hohe Risiken

Unendliche Weiten: Franz-Joseph-Land ist eine wenig einladende Inselgruppe weit nördlich des Polarkreises. Foto: ITAR-TASS.

Unendliche Weiten: Franz-Joseph-Land ist eine wenig einladende Inselgruppe weit nördlich des Polarkreises. Foto: ITAR-TASS.

Das Ökosystem der russischen Arktis hat während der Sowjetzeit viel Schaden genommen. Erst vor einem Jahr begannen die Reinigungsarbeiten auf den Inseln nördlich des russischen Festlandes. Die ressourcenreiche Region hat dennoch nach wie vor wirtschaftlich ihren Reiz. Die Risiken einer neuen Erschließung des Nordens sind allerdings zu hoch, meint der Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew.

Die Küstengebiete des Eismeeres gehören heute zu den am stärksten verschmutzten Gebieten der Welt. Vorsichtigen Schätzungen zufolge liegen bis zu vier Millionen Tonnen teilweise toxischen Industrie- und Baumülls an den Ufern des Nordpolarmeeres. Jedes Jahr entstehen in den Pipelines des Nordens mindestens 20 000 neue Lecks, aus denen Tausende Tonnen Öl ins Meerwasser fließen. Die Folgen der menschlichen Eingriffe in das Ökosystem des russischen Nordens drohen dieses zu zerstören.

Franz-Josef-Land ist eine karge, wenig einladende Inselgruppe weit nördlich des Polarkreises. Unendliche Weiten – doch die überall verstreuten rostigen Metallteile, Plastikrohre und die unzähligen Baumstämmen stören die friedliche Einsamkeit.

Unberechenbar sind die ökologischen Risiken, die durch die sowjetische

Erschließung der Arktis, die auf territoriale Expansion ausgerichtete Planwirtschaft und die darauf folgende völlige Verwahrlosung der Region hervorgerufen wurden. Jahrzehntelang wurde die Arktis als Ressourcenlager und Experimentierfeld der Kriegsmaschinerie genutzt: Tonnen von Müll, Ruinen ehemaliger Militärbasen, herumliegende Gerätschaften. Zurückgelassene Ölfässer werden nach und nach von Rost zerfressen, Kraftstoff und Altöl versickern in der Erde.

Bis heute gibt es in Russland nur einige wenige Pilotprojekte zur Wiederherstellung des Ökosystems Arktis. Vor einem Jahr begannen auf Franz-Josef-Land die Arbeiten zur Reinigung besonders verschmutzter Inseln. Das Programm wird vom Minister für Naturressourcen- und Ökologie Sergej Donskoj geleitet.

Bereits innerhalb eines Monats konnten 18 800 Fässer gepresst, 760 Tonnen Ölfässer entgiftet und fast 3 700 Tonnen Altmetall verfrachtet werden. Schätzungen zufolge liegen auf Franz-Josef-Land insgesamt fast 400 000 Fässer verstreut. Auf einer improvisierten Pressekonferenz am Grenzschutzposten Nagurskaja erklärte Minister Donskoj, dass das für den Zeitraum bis 2020 konzipierte Programm besser in drei bis fünf Jahren abgeschlossen werden sollte. Die Verschmutzung wird mit jedem Jahr schlimmer und die Lage nur noch hoffnungsloser.

Die Nordost-Passage: Wahnsinn oder Zukunftsprojekt?


In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wäre es nicht besser, die Weiten des Eismeeres zu eine Ruhezone zu erklären, in der jede wirtschaftliche Tätigkeit verboten ist?

Auf den ersten Blick scheint dies vollkommen unrealistisch. Vor allem die Anrainerstaaten der öl- und gasreichen arktischen Inseln und Festlandgebiete sind ein großes Hindernis. Wie oft wird von den Perspektiven der Nordost-Passage gesprochen, des Schifffahrtsweges entlang der nördlichen Küste Sibiriens, der durch den Klimawandel immer zugänglicher wird. Doch es gibt durchaus gewichtige Argumente, die gegen eine solche neue Erschließungswelle sprechen.

Umweltwissenschaftler warnen vor den Folgen einer solchen Erschließung. Fakt ist: In einem von Eis umschlossenen Gebiet wäre eine Havarie auf einer Ölplattform eine Katastrophe ungesehenen Ausmaßes. Es wäre praktisch unmöglich, unter den gegebenen Bedingungen ein Leck zu schließen. Auch sind nachweislich jegliche Anstrengungen zum Öleinsammeln erfolglos, wenn die Wasseroberfläche zu mehr als 10 % von Packeis bedeckt ist. Eine Ölpest im Eismeer wäre das Ende jeglichen Lebens in den Uferzonen im Umkreis von etwa 1 000 km.

Ausschlaggebend dürfte letztlich jedoch der wirtschaftliche Aspekt sein.

Eine Ölförderung auf dem Eismeerschelf im großen Stil ist für keinen der Anrainerstaaten von wirklichem Interesse. Denn auf die gestiegenen Ölfördermengen würde eine merkliche Preiskorrektur folgen – nach unten, versteht sich. Die in die Arktis investierten Milliarden könnten einen Rückgang der Rentabilität der gesamten Ölinvestitionen zur Folge haben. Am meisten zu leiden hätten darunter Russland, Kanada, die USA und Norwegen. Die Ölförderkosten dieser Länder gehören bereits jetzt zu den höchsten.

Auch wenn heute die Unterzeichnung eines internationalen Arktisabkommens noch unrealistisch erscheinen mag, so könnte diese für die teilhabenden Länder aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen durchaus attraktiv sein. Für eine weitere Erschließung der Arktis sind die Rahmenbedingungen derzeit nicht die besten.

Dieser Bitreag erschien zuerst bei der Zeitschfirt "Ogonjok". 

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