Endzeitstimmung in Moskau – gut gerüstet in die Apokalypse

Den Moskauer Autor inspirierten die Unterwelten seiner Heimatstadt zu seinem Science-Fiction-Roman „Metro 2033“. Russland HEUTE erzählt er von der Entstehungsgeschichte.

Der Apokalypseroman „Metro 2033“

erschien 2009 bei Heyne.

Die Moskauer Untergrundbahn ist nicht zufällig Schauplatz von „Metro 2033“, meinem antiutopischen Roman über das Überleben der Menschheit nach dem Dritten Weltkrieg. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg begann man mit dem Bau der Metro, doch der Krieg führte zu Änderungen der Konstruktionspläne. Die Metrostationen wurden als Luftschutzbunker genutzt, und Zigtausende von Moskauern konnten sich hier vor den deutschen Bombern retten. Nach dem Krieg baute man die Metro in einer nach europäischen Maßstäben enormen Tiefe – manche Stationen liegen 100 Meter unter der Oberfläche.

Die Metro ist ein sogenanntes Objekt doppelter Verwendung: Offiziell war sie Teil des Verkehrsnetzes sowie eine der größten und schönsten U-Bahnen weltweit, ein sowjetisches Weltwunder. In Wirklichkeit war sie aber einer der gewaltigsten Luftschutzbunker der Erde – und ist es heute noch.

Während des Kalten Krieges, aus Angst vor atomarer Zerstörung, wurden die Metrostationen zu Atombunkern umgebaut. Jede wurde mit hermetischen Schleusen ausgestattet, welche die Station im Fall eines Angriffs innerhalb von sechs Minuten luftdicht versiegeln konnten. Viele Stationen bekamen eigene Luftfilteranlagen, in den Tunneln wurden Lebensmittel- und Medikamentenvorräte angelegt, mancherorts sogar Brunnen gegraben.

Als ich als Kind erfuhr, dass „meine“ Metro, mit der ich tagtäglich zur Schule fuhr, eigentlich keine U-Bahn, sondern ein grandioser Bunker ist, ließ ich mich von der Idee inspirieren. Ich wollte einen Endzeitroman darüber schreiben, wie einige Menschen zwei Jahrzehnte nach dem Dritten Weltkrieg in den Katakomben der Moskauer Metro überleben.

Der russische Schriftsteller Dmitry Glukhovksy in der Metro. Foto: Pressebild

Sie können ihr Schutzhabitat nicht verlassen, denn die Welt draußen liegt in Schutt und Asche. Verbindungen zu anderen Städten gibt es nicht mehr. Die Moskauer vermuten, dass die restliche Menschheit ausradiert wurde. Die Zivilisation ist erloschen, die Moskauer Metro mit ihren Stationen, Bunkern und unterirdischen Palästen könnte zum letzten Bollwerk der Menschheit und seiner Kultur geworden sein. Ein politisches System gibt es nicht mehr, die U-Bahnstationen sind zu karikiert feudalen Fürstentümern geworden: Jedes hat eine eigene Ideologie – Kommunismus, Nationalismus oder Demokratie – und eine eigene Religion. Alle leben im ständigen Konflikt. Eine ganze Welt reduziert auf die Größe der Metro.

Nur die Spitze des Eisbergs

Bei meiner Recherche erfuhr ich die unglaublichsten Dinge über die Moskauer Metro. Die 185 Stationen und die nahezu 300 Kilometer langen Tunnel sind nur die Spitze des unterirdischen Eisbergs. Neben den U-Bahnstationen – zuweilen nur mehrere Meter hinter ihren Mauern – verbergen sich, für die Millionen Passagiere unbekannt und unsichtbar, über 200 Militär- und Regierungsbunker.

Damit nicht genug: Parallel zum gewöhnlichen Metronetz wurde ein

U-Bahnsystem für die herrschende Elite gebaut. Unter allen wichtigen Staatsgebäuden, Ministerien und Residenzen entstanden geheime Stationen. Durch ein separates Tunnelnetz miteinander verbunden, bilden sie die sogenannte Metro 2. Diese wurde speziell zu dem Zweck geplant, die sowjetische Elite im Falle eines Dritten Weltkriegs zu evakuieren – die Spitze der Geheimdienste, die Armeeführung sowie die führenden Wissenschaftler. Die Infrastruktur existiert bis heute. Der Dritte Weltkrieg fand nicht statt. Noch nicht. Doch keine Stadt ist besser für die Apokalypse gerüstet als Moskau.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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