Wirtschaftlich ein Außenseiter, aber ökologisch gesehen ist Altai natürlich besser als die Industriegebiete für das Leben geeignet. Foto: Phoebe Taplin.
Wo geht es den Menschen in Russland am besten? Betrachtet man diese Frage rein unter dem „Geld-macht-glücklich-Aspekt", ist es nicht schwer, anhand von Wirtschaftsstatistiken festzustellen, dass Moskau und die Ölförderregionen in Sibirien die höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Russland haben.
Aber Wirtschaftsleistung ist nicht gleich Lebensqualität - und schon gar nicht die Garantie für eine gesunde Umwelt. Diese Kriterien stellte nun ein gestern vorgestelltes Regionalrating in den Vordergrund, das unter Federführung der Russischen Geographischen Gesellschaft in Zusammenarbeit mit Weltbank, UN, internationalen Entwicklungsagenturen und auch der Umweltorganisation WWF erstellt worden war.
Die Experten bewerteten dabei die Umweltverschmutzung, die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen sowie den unter Naturschutz stehenden Flächenanteil von Russlands Teilgebieten – und korrelierten dies mit Faktoren, die ihrer Meinung nach das Wohlergehen der Bevölkerung am besten messen: die „Ausgaben für die Entwicklung des Humankapitals", sprich die Investitionen in Bildung, Gesundheitssystem und Sport.
Heraus kam eine Hitliste der Regionen, in deren Spitzengruppe ausgerechnet Randregionen Russlands liegen, die üblicherweise eher als strukturschwache und abgelegene Armenhäuser des Riesenreiches gehandelt werden: Mit 215 die höchste Punktzahl erreichte die Republik Altai in Zentralsibirien, wo es wenig Menschen, Fabriken und Straßen, dafür aber umso mehr hohe Berge gibt.
Auf dem zweiten Platz folgte eine besondere Überraschung: Besonders gut lebt es sich demnach in Tschetschenien! Die Kaukasus-Republik ist
über ihre Grenzen hinaus bisher eher für Terror und Gegenterror sowie die Verheerungen von 20 Jahren Krieg bekannt – und rutscht nun im grünen Index Russlands (und gemeint ist hier nicht die Farbe des Propheten) fast ganz nach oben. Der verblüffende zweite Platz Tschetscheniens ist durch die Kriterien der Bewertung leicht erklärbar: Zum einen ist die vom Bürgerkrieg verheerte Republik ein bevorzugter Zuschussempfänger des russischen Staatshaushaltes. Die Moskauer Strategie der Befriedung durch Wiederaufbau erklärt die hohen Ausgaben, die dort für Bildung und Sport getätigt werden.
Die Plätze 3 und 4 nahmen Außenseiter-Regionen des wirtschaftlichen und politischen Lebens in Russland ein: das unscheinbar im Fernen
Osten Russlands am Amur liegende Jüdische Autonome Gebiet, die Republik Tuwa an der Grenze zur Mongolei sowie Tschetscheniens kleiner Nachbar Inguschetien. Als einzige industriell geprägte Region unter neun Landwirtschafts-Arealen kam nur das Gebiet Twer unter die ersten zehn der Liste. Schlusslichter des Regionalvergleichs sind hingegen von der Rohstoffindustrie aktiv ausgebeutete Regionen: das Nenzen-Gebiet in Nordrussland, das Chanten-Mansen-Gebiet in Westsibirien sowie Sachalin, Tschukotka und Tjumen.
„Allerdings können wir nicht überprüfen, wofür diese Subventionen real ausgegeben werden", so Jewgeni Schwarz, der als Direktor des WWF-Russland an der Untersuchung mitarbeitete. Die Untersuchung würde sich ausschließlich auf offizielle Statistiken und keine eigenen Ermittlungen der Umweltschützer stützen. Nur so sei gewährleistet, dass sie auch vom russischen Verwaltungsapparat ernst genommen würde.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russland Aktuell.
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