Skandal um Air Berlin: Einer Gruppe russischer Rollstuhlfahrer wurde in letzter Minute das Boarding verweigert. Foto: ITAR-TASS.
Im Rahmen ihres Programms „Barrierefreies Fliegen" bietet die deutsche Airline Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität zusätzliche Serviceleistungen an – trotzdem konnte sie innerhalb eines Monats ihre Maschine nicht in gebührender Weise auf die Beförderung einer Gruppe russischer Rollstuhlfahrer vorbereiten, beklagt Nadeschda Belkowa, zuständige Taskforce-Leiterin der russischen Präsidenten-Kommission für Behinderten-Probleme. Die Fluggesellschaft habe die Zahl der erwarteten Rollstuhlfahrer im Voraus gewusst und trotzdem fahrlässig gehandelt.
„Wir hatten alle Vorbereitungsverfahren hinter uns. Die Zahl der Rollstuhlfahrer wurde wöchentlich präzisiert, denn die Flugtickets wurden bereits im August beantragt", so Belkowa, „niemand hat uns etwas erklärt, wir haben Zoll- und Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen passiert. Doch unmittelbar vor dem Einsteigen kam plötzlich das Signal: Das Boarding soll gestoppt werden. Sie sagten, man könne nur zwei Rollstuhlfahrer an Bord nehmen. Das war so eine Vernachlässigung gegenüber uns allen! Ich habe den Eindruck, dass die Crew einfach eine Stunde gespart hat, die man brauchte, um den Behinderten dann beim Aussteigen zu helfen und sie zu begleiten".
Air Berlin erklärte später unter Berufung auf die Dienstvorschriften, aus Sicherheitsgründen dürfe man nur maximal zwei Rollstuhlfahrer an Bord nehmen. Die Russen erfuhren das aber erst zu dem Zeitpunkt, als die Hälfte der insgesamt 34-köpfigen Delegation, der auch sechs Rollstuhlfahrer angehörten, bereits im Flugzeug war.
Nach Ansicht des deutschen Juristen Max Gutbrod (Baker & McKenzie – CIS, Limited) sieht es nach einem Verstoß nicht nur gegen die UN-
Konvention zu Rechten von Behinderten aus, sondern auch gegen den Beförderungsvertrag. Nach der entsprechenden EU-Richtlinie müssten Behinderte 48 Stunden vor dem Abflug über ihre Bedürfnisse informieren – in diesem Fall müsse man sie an Bord nehmen, so Gutbrod. Falls alle umfassenden Informationen rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden seien, könne es um einen Schadenersatz gehen. Falls der Flugkapitän trotz eines vorliegenden Beförderungsvertrags das Boarding verweigere, müsse der betroffene Fluggast eine andere Flugmöglichkeit bekommen – womöglich in der Business Class, sagte der Jurist.
Tatsächlich hat die deutsche Fluggesellschaft den Russen eine alternative Lösung angeboten, einen Flug nach Düsseldorf mit der russischen Fluglinie Aeroflot – die Behinderten mussten aber den ganzen Tag auf dem Flughafen in Moskau warten. Dabei erhielten sie weder Hotelplätze noch Essen.
Das Reiseziel der russischen Behinderten waren Seminare zu Barrierefreiheit und behindertengerechter Umwelt. Tickets für den Rückflug aus Düsseldorf wurden ebenfalls bei Air Berlin gebucht. Nun schlägt die deutsche Fluggesellschaft vor, vier Rollstuhlfahrer mit zwei verschiedenen Flügen nach Moskau zu befördern. Die beiden weiteren wurden gebeten, einen Aeroflot-Flug zu nehmen. Die russische Fluglinie hat keine Einschränkungen in Bezug auf die Zahl der Fluggäste mit eingeschränkter Mobilität, die mit einer Maschine fliegen dürfen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Stimme Russlands.
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