Russische Geochemiker wollen Wiege des Lebens neu erschaffen

Das Experiment mit organischem Stoff: Russische Wissenschaftler versuchen, das Entstehen des Lebens auf Erden zu erklären. Foto: ALAMY Legion Media.

Das Experiment mit organischem Stoff: Russische Wissenschaftler versuchen, das Entstehen des Lebens auf Erden zu erklären. Foto: ALAMY Legion Media.

Eine Gruppe russischer Geochemiker aus dem Fernen Osten versucht in leblosen Stoff Leben einzuhauchen. Die Wissenschaftler wollen in ihrem Labor das Milieu der Thermalquellen der Kamtschatka-Halbinsel nachstellen, das ihrer Meinung nach die Wiege des Lebens gewesen sein konnte.

Die Wissenschaftler  experimentieren mit organischem Stoff in einer Lösung, die der Einwirkung von hohen Temperaturen und Druck ausgesetzt wird. Die chemische Evolution kann nicht in die biologische übergehen ohne einen gewissen Stress, ist der Autor des Forschungsprogramms, Wladimir Kompanitschenko überzeugt. Mit anderen Worten, kann bei einer bestimmten Kombination von Temperatur und Druck auch in leblosem Stoff Leben entstehen. Zu einem solchen Schluss kam der Wissenschaftler nach der Erforschung von thermophilen Bakterien auf Kamtschatka. Nun bleibt ihm, die geothermale Wiege des Lebens in Laborbedingungen neuzuschaffen.

Spezialisten halten das Experiment der fernöstlichen Geochemiker für interessant. Es ist ein weiterer Versuch, das Entstehen des Lebens auf Erden zu erklären. Dabei reagieren viele Wissenschaftler pessimistisch auf die Ergebnisse des Experiments. Diese würden kaum dazu beitragen, Leben künstlich zu erschaffen, meint Akademiemitglied Biophysiker Walentin Sapunow.

„Erstens wissen wir bis jetzt nicht, was Leben ist. Wir haben keine eindeutigen Definitionen und verstehen nicht, wie der Sprung vom Lebenden zu Leblosem erfolgte. Bei der fehlenden theoretischen Basis wird das Experiment uns höchstwahrscheinlich nicht weiterbringen. Es ist praktisch unmöglich eine Struktur wie Gen oder DNS auf dem Wege zufälliger Kombinationen zu schaffen", - so Sapunow. 

Zurzeit neigen sich viele Wissenschaftler dazu, dass das Leben auf die Erde aus dem All hergebracht wurde, erinnert Walentin Sapunow. Diese Version vertraten z.B. der schwedische Wissenschaftler und Nobelpreisträger Svante August Arrhenius und der russische Biogeochemie-Begründer, Autor der Lehre von der Biosphäre undNeosphäre, Wladimir Wernadski.

Viele vertreten freilich eine andere Version der Lebensentstehung – die

vulkanische Theorie. Erstmals wurde sie vor ca. 40 Jahren vom russischen Vulkanologen Eugeni Marnichin vorgeschlagen. Weiterentwickelt wird die Theorie von einer US-amerikanischen Forschungsgruppe mit dem Russen Eugeni Kunin von National Institutes of Health an der Spitze. Die Teilnehmer der Gruppe meinen, dass erste lebende Organismen im Gewässer der Seen entstanden, die Geothermalquellen der Vulkanen mit Wärme und Spurenelementen sättigten.

Die Wissenschaftlergruppe unter der Leitung von Wladimir Kompanitschenko stützt sich anscheinend auf die Hypothese des sowjetischen Biologen Alexander Oparin. Laut dieser 1924 begründeten Theorie kam das Leben im sogenannten Primärbouillon auf. Diese entstand unter Einwirkung von elektrischen Entladungen, hohen Temperaturen und Raumstrahlung. Man nimmt an, dass diese noch vor 4 Milliarden Jahren in den irdischen Gewässern existierte. Diese Bouillon des Lebens bestand aus Aminosäuren und Polypeptiden. Ein ähnliches Milieu bilden laut Kompanitschenko die Kamtschatka-Geiser.

Die Hypothese habe ein Körnchen Wahrheit, meint der Dozent des Geochemie-Lehrstuhls an der geologischen Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität, Andrei Bytschkow. Endoge, d.h. geologische Prozesse, die mit der Energie der Erdinnere verbunden sind, könnten die Lebensentstehung stimulieren, meint der Wissenschaftler. Doch sei die wortwörtliche Reinheit des Experiments schwer zu gewährleisten.

„Geochemisch gesehen, wissen wir, dass das Leben auf Erden sehr früh entstanden ist. Daraus folgt, dass das Leben mit grundlegenden endogenen Prozessen – dem Vulkanismus und den Hydrothermen – unbedingt eng verbunden sein soll. Wir können nicht sicher gehen, dass in einer bestimmten Menge Lösung kein Leben vorhanden ist, dass da auch nichts davon geblieben ist, was vom heutigen Leben geerbt wird. Deswegen scheint mir die Frage des Aufkommens von Leben sehr schwer ",  - so der Experte. 

Übrigens wurden bereits Experimente mit der Nachstellung des Wassermilieus der Erde, wie es in den ersten Jahren ihres Bestehens war, durchgeführt. Durch das Methan und andere Gase, die vermutlich in der Erdatmosphäre waren, wurden elektrische Entladungen geleitet. Einige Monate später entstanden tatsächlich einzige organische Moleküle, es bildeten sich jedoch keine Zellen – also entstand auch kein neues Leben.

Dieser Beitrag erchien zuerst bei Stimme Russlands.

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