Der Kreml-Cup: Trotz des wenig attraktiven sportlichen Aufgebots steigen die Ticketpreise von Jahr zu Jahr. Foto: Legion Media.
Mit jedem Jahr wird die Liste der Teilnehmer des Moskauer Kreml-Cup blasser. Besonders bei den männlichen Spielern herrscht Ebbe: Der Ukrainer Alexander Dolgopolow belegt zwar ‚nur’ Platz 21 auf der Weltrangliste, hat damit beim diesjährigen Turnier jedoch die Nase vorn.
Wo liegt das Problem? Für die Auswahl der Wettkampfteilnehmer war in diesem Jahr der Vize-Präsident der Tennisföderation Russlands Jewgeni Kafelnikow zuständig. Der ehemalige Tennisprofi gewann das Turnier seinerzeit fünfmal in Folge und ist somit der Rekordsieger des Kreml-Cups. Ihm gelang es nicht, internationale Größen der Tenniswelt für das Turnier zu gewinnen – das Budget sei schlichtweg zu mager gewesen. Die Preisgelder, die bei einer Platzierung im Kreml-Cup winken, erscheinen bekannten Spielern wie Roger Federer und Rafael Nadal lachhaft. Sie erwarten für ihre Teilnahme das Doppelte.
Fakt ist: Die Top Ten der Weltrangliste für das Moskauer Turnier anzuwerben, ist keine leichte Aufgabe. Um einiges einfacher wäre es dagegen gewesen, zumindest den russischen Tennisstar Michail Juschny für die Teilnahme zu begeistern. Doch auch darauf warteten die Fans vergeblich, Juschny ist derzeit auf einem Turnier in Stockholm. Seinem Trainer Boris Sobkin zufolge hätte es jedoch nicht am Geld gelegen, Juschny sei einfach nicht eingeladen worden. Für das Marketing des Kreml-Cup ist das ein dickes Minus. Die magere Auswahl der männlichen Tennisspieler wird die Reputation des Turniers wohl nicht gerade aufbessern.
Da sieht es bei den Teilnehmerinnen des Turniers besser aus, wenn auch nur ein wenig. Denn auch hier wird die russische Nummer 1 der Rangliste
fehlen: Maria Scharapowa trainiert derzeit für die Saisonendspiele. Nicht antreten werden außerdem die beiden verletzten Spielerinnen Swetlana Kusnezowa und Wera Swonarewa. Doch auch wenn sich der Kreml-Cup in Hinblick auf die teilnehmenden Spielerinnen insgesamt etwas interessanter gestaltet, kann dies das Gesamtbild des Turniers nicht retten. Es ist fraglich, ob das einst so beliebte Tennisturnier in der russischen Hauptstadt in seinem derzeitigen Format Bestand haben wird.
Satte Preise für eine große Enttäuschung
Trotz des wenig attraktiven sportlichen Aufgebots steigen die Ticketpreise von Jahr zu Jahr. Mehrere Tausend Rubel muss man hinlegen, um die Spiele von mehr oder weniger komfortablen Plätzen aus mitverfolgen zu können. Die günstigsten Karten für das Endspiel kosten 300 Rubel (ca. 7,50 Euro), doch ohne Fernglas wird man bei diesem Spartarif den Ball kaum erkennen können.
„Ich besuche den Kreml-Cup regelmäßig, denn ich liebe Tennis und war selbst einmal aktiv dabei. Was wir hier in den letzten Jahren erleben, ist traurig“, meint Jewgeni, einer der enttäuschten Besucher. Er hält seinen neunjährigen Sohn an der Hand. „Ich habe für mich und meinen Sohn zwei Tickets gekauft und dafür nicht wenig Geld ausgegeben. Viel wird uns dafür leider nicht geboten.“
Tatsächlich macht der Austragungsort des Kreml-Cup, der Sportkomplex Olimpijski, einen ernüchternden Eindruck. Jenseits der Tenniscourts winkt ein farbloses Rahmenprogramm: Die breiten Korridore des monströsen Sportkomplexes werden von den Verkaufszelten der Sponsoren gesäumt. Auch deren Zahl ist freilich geschrumpft – keine große Überraschung angesichts des Imageverlustes des Turniers. Ein anständiges Mittagessen zu vertretbaren Preisen ist nicht zu bekommen. Stattdessen gibt es für die Besucher des Turniers eine magere Auswahl überteuerter Speisen und Getränke.
„Schon klar, man könnte sagen: Wenn es dir nicht gefällt, dann komm eben nicht her“, räumt Tennisfan Jewgeni ein. „Aber eigentlich ist mir der Kreml-Cup mittlerweile vertraut und wichtig, ich möchte nicht darauf verzichten. Wenn den Organisatoren das Geld für Weltklasse-Spieler fehlt, dann müssen sie eben mit mehr Sponsoren arbeiten und sich um zusätzliche Mittel bemühen.“
Immerhin: Autogramm-Jäger erhalten für 950 Rubel (ca. 24 Euro) einen großen Tennisball, mit dem sie sich auf die Jagd nach Unterschriften der Tennisprofis machen können. Diesem Vergnügen geben sich zunehmend nicht nur Jugendliche und Kinder hin, sondern auch Erwachsene. Was soll man auch tun, wenn es sonst nichts zu sehen gibt?
„Wenn sich hier nichts ändert, dann werde ich mir nächstes Jahr mit meiner Familie eine Alternative suchen“, bedauert Jewgeni und trabt mit seinem Sohnemann zurück zum Tenniscourt.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Gazeta.ru.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!