Petersburger Dialog: Es ist Zeit für einen Neuanfang

Der Dialog fruchtet nicht mehr richtig - deshalb sollte der Ansatz dahinter überdacht werden. Foto: ITAR-TASS.

Der Dialog fruchtet nicht mehr richtig - deshalb sollte der Ansatz dahinter überdacht werden. Foto: ITAR-TASS.

Die Ablehnung des deutschen Russland-Beauftragten Andreas Schockenhoff durch Russlands Außenministerium im Vorfeld des Petersburger Dialogs könnte ein kreativer Ansatz für einen Neubeginn sein.

Natürlich spiegelt der Vorwurf, Schockenhoff habe sich verleumderisch über Russland geäußert, die subjektive Sicht des russischen Ministeriums. Andererseits ist Schockenhoff kein Softie; der Mann redet Klartext, wenn er den Russen zeigen will, wo es entlang geht. Fragt sich nur, ob solche Wegweiserei auch zielführend ist. Zwanzig Jahre westliche Missionsarbeit und zehn Jahre Putin-Bashing zeitigen kümmerlichste Ergebnisse. Die russische Opposition ist lebendig und aktiv, doch die pro-westlichen, demokratischen Elemente verschwinden hinter den Extremisten von rechts und links.

West-Demokratiemuster hat in der GUS nicht gezündet

Die demokratischen Parteien aus den Neunzigern, Jabloko und andere, rutschen in die Bedeutungslosigkeit ab. Die Gesellschaft in ihrer Breite steht hinter dem System und hinter der Regierungspartei – sei es auch nur aus Mangel an besseren Alternativen. Die westlich orientierten Demokraten werden jedenfalls nicht als Alternative wahrgenommen.

Das gleiche Resultat kennzeichnet den Rest der Ex-UdSSR. An die orangene Revolution in der Ukraine, 2004 im Westen als Durchbruch gefeiert, erinnern sich bald nur noch Nostalgiker. Michail Saakaschwili, abgewählter Ex-Präsident Georgiens, der sein winziges Land für einen Lidschlag der Geschichte auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten hob, erwartet dasselbe Schicksal.

Nichts mehr zu berichten außer über Pussy Riot?


Macht es da noch Sinn, Tag für Tag mit demselben Knüppel denselben Sack zu schlagen? In den Augen deutscher Medien offensichtlich schon. Den Vogel im Kampf um die europäischen Werte hat in diesem Jahr die Punkband Pussy Riot abgeschossen. Im Westen werden die

Veitstänzerinnen mit Lob und Preis überhäuft. Deutsche Korrespondenten in Moskau klagen bereits, dass sie außer Pussy Riot nichts mehr in ihrem Blatt unterbringen. Die Stadt Wittenberg hat die Band für den Luther-Preis vorgeschlagen. Auch Lady Gaga stellt sich schützend vor die drei Künstlerinnen. Und ein Kommentator aus dem Hause Axel Springer postulierte wörtlich das Grundrecht auf Prophetenbeleidigung. Von Luther bis Lady Gaga – für die Verteidigung von Pussy Riot wirft der Westen das ganze Kapital der abendländischen Kultur ins Feld. Immerhin weiß jetzt jeder Russe, was unter Modernisierung des Geistes zu verstehen ist.

Das deutsch-russische Business floriert still vor sich hin


Derweil kann man das deutsch-russische Verhältnis in aller Nüchternheit als angeschlagen bezeichnen. Die wirtschaftlichen Zahlen sprechen zwar

eine andere Sprache, aber die Unternehmer und Manager unterliegen auch nicht der Selbstzensur der politischen Korrektheit, die in der sogenannten öffentlichen Meinung nicht anders wirkt als die Restriktionen, die der Kreml den russischen Medien auferlegt. Das letzte prominente Beispiel erfolgreicher deutsch-russischer Zusammenarbeit ist die Gaspipeline Nord-Stream, die just in diesem Monat fertiggestellt wurde. Doch Sachthemen gibt es weiterhin zur Genüge – etwa die künftige Gestaltung der Visumpflicht. 

Für mehr Dialog mit praktischem Nutzen!


Oder das Verhältnis der Kaliningrad-Anrainer Polen und Litauen zu der preußisch-russischen Enklave und dem Transitverkehr, das das Leben der Menschen dort nicht gerade erleichtert. Hier könnte bundesdeutsche Unterstützung Wunder wirken, wenn es denn der Politik wirklich um die Lebensbedingungen der Menschen geht.

Ein deutsch-russischer Dialog, der solche konkreten Fragen zum Gegenstand hat, wäre seines Namens würdig, ob er nun Petersburger oder sonst wie heißt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russland Aktuell.

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