Michail Prochorow errang einen Achtungserfolg bei den Präsidentschaftswahlen. Nun versucht er sich in der Parteipolitik. Foto: RIA Novosti.
Auf einem Parteitag der „Bürgerlichen Plattform" stand Michail Prochorow – neben allerlei ihm sympathisierender Prominenz – nach einem halben Jahr politischer Abstinenz plötzlich wieder im Rampenlicht. Offensichtlich hat er nun doch vor, Parteichef zu werden – wenn gleich die Plattform „keine Führerpartei" werden soll, wie er versicherte. Aber er habe sich aus dem Geschäftsleben zurückgezogen, seine Aktiva würden jetzt von Vertrauten verwaltet – und er werde sich ganz der Politik widmen.
Ein Parteichef wurde auch noch nicht gewählt, nur zwei Führungsgremien: ein „Bürger-Komitee" (auch mit parteilosen Vertretern) und ein „politisches Komitee". Prochorow ist bei beiden dabei.
Mitglieder des Bürgerkomitees sind auch die Pop-Diva Alla Pugatschowa (zuständig für Frauenfragen), Jewgeni Roisman (Vorsitzender von „Stadt ohne Drogen), Michail Barschewski, der bevollmächtigte Vertreter von Präsident Wladimir Putin vor den höchsten Gerichten und der neu gewählte Bürgermeister von Jaroslawl, Jewgeni Urlaschow.
Nationalisten als Partner tabu
Prochorow, der bei der Wahl im März mit acht Prozent der Stimmen Dritter wurde, möchte seine Partei als neue dritte Kraft positionieren. Sie sei "weder dem Kreml hörig noch ein Projekt des Bolotnaja-Platzes" (wo im Winter mehrere große Protestdemos stattfanden). Er könne mit allen Kräften zusammenarbeiten – nur nicht mit Nationalisten, erklärte der sich liberal positionierende Neu-Politiker.
Prochorow sprach sich dafür aus, den Klerus und die orthodoxe Kirche in Russland „auf ihren Platz zu verweisen". Russland sei laut Verfassung ein weltlicher Staat – weshalb alle Religionen gleich weit von Verwaltung und Bildungssystem entfernt sein sollten.
Mehr Einwanderer, weniger Regionen
Um den Rückgang der Bevölkerungszahl aufzuhalten, sprach sich Prochorow für eine stärkere Einwanderung nach Russland aus, „sonst fehlen uns 2025 schon 19 Millionen Menschen". Als Neusiedler sollen aber keine gering qualifizierten Arbeitskräfte, sondern gut ausgebildete Kader gewonnen werden.
Der Multi-Milliardär möchte auch die regionale Gliederung Russlands reformieren. Es gebe gegenwärtig zu viele Regionen, die aber selbst zu
wenig Vollmachten hätten. Russland könne auch gut mit einer Unterteilung in 10 bis 15 Subjekte ohne Leitnationalitäten leben, so Prochorow. Dafür sollten die Föderations-Gebiete aber mehr politische und finanzielle Selbstständigkeit erhalten. Als erstes Etappenziel möchte die „Bürgerliche Plattform" nun an allen regionalen Wahlen im nächsten Jahr teilnehmen: Diese finden im September 2013 statt, wenn sieben Gouverneure und 16 Regionalparlamente neu bestimmt werden. Die Chancen auf eine Etablierung der Partei sind dabei nicht so schlecht: Der hohe Bekannheitgrad des Anführers und ihre Finanzkraft seien das wichtigste Kapital der neuen Bewegung, so der Politologe Jewgeni Mintschenko.
Dieser Beitrag erschien zuerts bei Russland Aktuell.
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