Spielszenen aus dem Film "Im Nebel." Foto: Pressebild.
Wann und wie macht der Krieg aus Menschen Ungeheuer? Dieser Frage versucht der russische Regisseur Sergei Loznitsa („Mein Glück", 2010) in seinem neuen Spielfilm „Im Nebel" nachzugehen.
Sergei Loznitsa, 48, der aus Weißrussland stammt und seit 2001 mit seiner Frau und zwei Töchtern in Deutschland lebt, hat als Stoff für
Kino Krokodil
Greifenhagener Straße32
10437 Berlin
Hackesche Höfe Filmtheater
Rosenthaler Straße 40/41
10178 Berlin
Movimiento
Kottbusser Damm 22
10967 Berlin
seinen Film den gleichnamigen Roman des weißrussischen Kriegsveteranen und Schriftstellers Vasily Vladimirovich Bykov (1924 - 2003), der ebenfalls im deutschen Exil lebte, gewählt. Bykovs Werke über den Zweiten Weltkrieg kreisen um den Ursprung des Bösen und der Gewalt bei gewöhnlichen Soldaten im Kriegsalltag. Und so führt der Film in den Sommer 1942. Ein Zug entgleist an der sowjetischen Westfront. In dem von Deutschen besetzten Gebiet wird eine Gruppe von Saboteuren verhaftet. Drei werden erhängt, nur Sushenya (Vladimir Svirsky), der mit ihnen zusammengearbeitet, aber bei der Zerstörung der Gleise nicht mitgemacht hatte, wird verschont. Aber genau deshalb wird er von seiner Umgebung der Kollaboration mit den Besatzern bezichtigt.
Sushenya wird von zwei sowjetischen Partisanenkämpfern als Kollaborateur und Verräter in den Wald verschleppt. Dort wollen sie ihn umbringen. Doch dazu kommt es nicht, weil einer der beiden selbst aus dem Hinterhalt angeschossen wird. Anstatt zu fliehen, bleibt Sushenya bei dem Verwundeten, während der zweite Mann im nahegelegenen Dorf eine Bahre für den Transport holen soll. Sushenya erzählt dem Verwundeten - sein einstiger Schulfreund, der ihn gerade noch umbringen wollte -, dass er lieber mit den anderen zusammen gehängt worden wäre, als jetzt vor der Dorfgemeinschaft als Verräter dazustehen. Er habe sich nur aus Verantwortung für seine Frau und seinen kleinen Sohn bisher nicht selbst gerichtet.
Geduld ist gefragt
Während Sushenyas Lebensbeichte verstirbt sein früherer Freund. Sushenya wird ihn auf dem Rücken bis zum Heimatdorf zurücktragen. Und so schleppt sich die kleine Gruppe über Stunden durch den Wald, ohne dass irgendwelche Kriegsgeräusche zu hören sind. Auch Musik gibt es in diesem Film erstaunlicherweise überhaupt nicht. Man kann das als positiv bewerten, da so keine dramaturgisch gewollte Spannung erzeugt oder etwa dräuende Gefahr angekündigt wird. Aber man kann dies und die ewig dauernden Wanderungen durch Wälder auch als sehr langweilig empfinden.
Zu Fragen wie „Was ist Mut in Zeiten des Krieges?" oder „Wann beginnt der Verrat?" oder „Wie sieht Warten-bis-die-Gefahr-vorüber-ist eigentlich aus?" kommt es erst gar nicht. Und das ist sicher nicht im Sinne des Schriftstellers Vasily Bykov. Und vielleicht sind auch die Komposition der starren Bilder und der ewig langen Einstellungen (ein Rabe sitzt drei Minuten auf einem Zweig ohne sich zu bewegen) nicht förderlich für ein stärkeres Engagement des Kameramanns Oleg Mutu. Zwischen den einzelnen Abschnitten des Films oder den Wechseln zur Rückblende gibt es lange schwarze Ab- und Wiederaufblenden, die der Geschichte aber auch nicht gerade mehr Tempo verleihen.
Nachdem auch der zweite Verfolger von Deutschen oder vielleicht auch von Partisanen erschossen worden ist, wird jedenfalls das Schlussbild in Nebel eingehüllt. Man sieht noch, dass Sushenya einen Revolver in die Hand nimmt. Dann hört man einen dritten Knall. Hat der gute und gerechte Mensch sich nun doch selbst umbringen müssen?
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland