Eddie Rosner: Ein Leben für den Jazz in unruhigen Zeiten

Nach seiner Haftentlassung 1954 gründete Eddie Rosner erneut eine Big Band, die bald zur profiliertesten des Landes wurde.  Foto: RIA Novosti.

Nach seiner Haftentlassung 1954 gründete Eddie Rosner erneut eine Big Band, die bald zur profiliertesten des Landes wurde. Foto: RIA Novosti.

Der Berliner Eddie Rosner war ein Großer des Jazz. Vor den Nazis nach Osten geflohen, wurde der Trompeter in der Sowjetunion zum Star – und dann zum Gulaghäftling.

Diesen Schritt konnten die sowjetischen Behörden dem Ausnahmemusiker nicht verwehren: Und so wurde, mitten im Krieg, aus Adolf Rosner Eddie Rosner. Rosner war vor dem Namensvetter geflohen, und nur mit viel Glück gelang ihm und seiner Familie die weitere Flucht vor der heranrückenden Wehrmacht.

Als Jude und Jazzmusiker, als doppelt Verfolgter also, legte Rosner keinen großen Wert mehr auf den Namen Adolf. Erst für die deutschen Beamten im Entschädigungsamt, denen er seinen Lebenslauf niederschrieb, das war 1973, benutzte er später noch einmal seinen ursprünglichen Vornamen.

Ein Wunderkind aus Berlin

Im sogenannten Scheunenviertel, einem schlecht beleumundeten Berliner Stadtteil unweit vom Alexanderplatz, wuchs ein Wunderkind heran. Adolf Rosner war gerade einmal sechs Jahre alt, als er, neben der Schulausbildung, umfangreichen Geigenunterricht erhielt und in das Stern'sche Konservatorium aufgenommen wurde.

Nach erfolgreichem Abschluss begann er, um Geld zu verdienen, als

Das Buch "Von Hitler vertrieben,von Stalin verfolgt: Der Jazzmusiker Eddie Rosner" von Gertrud Pickhahn und Maximilian Preisler erschien 2010 im be.bra Wissenschaft Verlag. 169 Seiten. 

Trompeter aufzutreten – dieses Instrument hatte er gleichzeitig gelernt. Ende der 20er-, Anfang der 30er-Jahre gelang es ihm, ein Engagement bei der damals schon weithin bekannten Musik- und Revueband Weintraubs Syncopators zu erhalten. Bei den Dreharbeiten zum „Blauen Engel" ist der junge Rosner auf Standbildern zu sehen, er scheute sich auch nicht, der Hauptdarstellerin Marlene Dietrich den Hof zu machen. Die allerdings gab ihm einen Korb. Rosner und die Weintraubs blieben bis Ende 1933 in Berlin, dann mussten sie ihren Auftritt im Berliner Wintergarten abbrechen, die Judenverfolgung hatte auch die populäre Band eingeholt. Den europäischen Erfolg allerdings konnten ihnen die Nazis nicht nehmen. Von Paris nach Krakau, von Belgien nach Italien, von Dänemark bis in die Niederlande führten die Tourneen. In Frankreich und in Polen jubelte man ihnen zu, in Warschau wurde Rosner als der Zar des polnischen Jazz apostrophiert.

Jazzfans in der KP

Diese Zeit fand ein abruptes Ende mit dem deutschen Einmarsch in Polen. Rosner, inzwischen verheiratet, blieb nur die Flucht nach Osten, nach Lemberg und Bialystok. Der Grundstein für Rosners ungeheure Popularität während des Krieges wurde hier gelegt. Unterstützt wurde er immer wieder von Pantelejmon Ponomarenko, dem Ersten Sekretär der weißrussischen KP, einem Jazzliebhaber, der Rosner den Auftrag gab, ein staatliches Jazzorchester zu organisieren.

Rosners Orchester nahm Platten auf und fuhr mit einem Sonderwagen der Eisenbahn zu Auftritten überall in der Sowjetunion. Zusammen mit seiner Frau Ruth genoss Rosner privilegierte Lebensverhältnisse. Sogar Stalin, für den er ein privates Konzert in Sotschi gab, goutierte diesen musikalischen Westimport.

Von Sotschi nach Magadan

Doch mit Kriegsende fand auch das Glück des Entertainers ein jähes Ende. Die spätstalinistische Sowjetunion verschloss sich gegenüber

Die Doppel-CD "100 Years of Eddie Rosner. Meeting Song" mit seiner Big Band kam 2010 bei dem ehemals sowjetischen Label "Melodija" heraus.

westlichen Einflüssen. Das bekam Rosner hautnah zu spüren, dessen Musik in Zeitungen als „abgeschmackt" und „billig" verunglimpft wurde. Er versuchte mit seiner Frau die Flucht über die Grenze nach Polen, wurde jedoch festgenommen. Es folgte ein grausames Urteil: zehn Jahre Lagerhaft für Eddie Rosner, fünf Jahre Verbannung für seine Frau. Es war der Anfang von Rosners Odysee durch den Gulag. Von 1947 bis 1949 lebte er im Lager in Chabarowsk an der chinesischen Grenze, später in der Stadt Komsomolsk. Seine Musik verhalf Rosner auch im Gulag zu größeren Überlebenschancen: Hier wie dort gelang es ihm, ein kleines Jazzorchester aufzubauen. Anfang der 50er-Jahre kam er nach Magadan und wurde dort ebenfalls Leiter des Jazz‑ orchsters. 1954 wurde Rosner aus der Haft entlassen. Das kulturelle Tauwetter nach Stalins Tod galt auch für Jazzmusiker. Wieder half der alte Förderer Ponomarenko, der inzwischen Kulturminister geworden war. Für wenige Jahre konnte Rosner noch einmal an seine früheren Erfolge anknüpfen.

Doch vieles konnte nur unter schwierigen Verhandlungen mit der Bürokratie realisiert werden. Rosners Stern war am Sinken.

Ein Ende in Vergessenheit

Rosner versuchte, die Sowjetunion zu verlassen. Aber erst im Umfeld der Russlandreise des amerikanischen Präsidenten Nixon im Jahre 1972 gelang es ihm, eine Einladung in die USA zu erhalten. Nur für kurze Zeit blieb Eddie Rosner in Amerika, dann kehrte er zurück in seine Heimatstadt Berlin. Das war 1973. Und es war eine Heimkehr in die Fremde.

Sein sprichwörtliches Glück verließ ihn nun endgültig. Er musste viel Kraft und Energie in die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Behörden und Gerichten stecken, um als Verfolgter Anspruch auf Rente zu erhalten. Es war ein Kampf gegen Windmühlen.

Einige Freunde waren nicht mehr am Leben, andere schwiegen, wieder andere waren bis ans andere Ende der Welt gegangen, im Falle der Weintraub Syncopators war es Australien. Man kannte Eddie Rosner nicht mehr, und seine Musik, seine Revuen waren in Zeiten des Bebop, Cool Jazz und Free Jazz nicht mehr gefragt. Seine Liebe galt dem Swing, doch hierfür gab es noch nicht einmal Auftritts­möglichkeiten. Rosner starb im Alter von 66 Jahren völlig überraschend am 8. August 1976 an einem Herzinfarkt und wurde auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt.

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