Die Urne zu Grabe tragen

Foto: ITAR-TASS

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Die Menschen in Russland zeigten kein spürbares Interesse an den Regionalwahlen. Der Journalist Tichon Dzjadko meint, dass das Hauptproblem besteht darin, dass Wahlen im Verständnis der russischen Regierungskreise nur eine überflüssige Prozedur darstellen und nicht als ein übliches Verfahren in einem demokratischen Staat gelten.

Jedem Vorhaben liegt ein wesentliches Erfolgskriterium zugrunde – das Interesse. Ist eine Idee an sich interessant, so hat deren Umsetzung eine größere Chance auf Erfolg. Dieser Logik zufolge waren die Regionalwahlen in Russland Mitte Oktober von Anfang an zum Scheitern verurteilt: Ein besonderes Interesse war weder bei den Kandidaten noch bei den Wählern zu spüren, die Wahlbeteiligung war äußerst gering.

Der Regierung kam das nur zugute: Unter diesen Bedingungen spielt bei einer Wahl derjenige Teil der Bevölkerung die entscheidende Rolle, der

von den Behörden und den staatlichen Medien beeinflusst ist. Er war es, der denn auch für das entsprechende Wahlergebnis sorgte. Die Opposition ihrerseits zeigte ebenfalls kein spürbares Interesse an den Regionalwahlen. Das heißt nicht, dass sie sich der Abstimmung radikal verweigerte, aber umgekehrt war sie nur wenig präsent. Bereits am Vorabend des Wahltags war klar, was passieren würde, trotz der positiven Änderungen des Wahlgesetzes wie der Wiedereinführung der Gouverneurswahlen und der Registrierung einer größeren Anzahl an Parteien. Der Opposition war es nicht gelungen, ihre Anhänger zu mobilisieren.

Aber das Hauptproblem besteht darin, dass Wahlen im Verständnis der Regierungskreise auch weiterhin nur eine überflüssige Prozedur darstellen und nicht als ein übliches Verfahren in einem demokratischen Staat gelten. Der Urnengang war durch eine Vielzahl von Verstößen gekennzeichnet, doch selbst diese riefen nicht die gleichen Reaktionen wie nach den Duma- und Präsidentschaftswahlen hervor. Viele meldeten sich als Wahlbeobachter, waren sich aber bewusst, dass sie auf die Gesamtsituation keinerlei Einfluss haben werden.

Das Interesse an den Wahlen lässt in Russland nach, die Menschen nehmen sie als etwas Nebensächliches wahr. So blickte man am Wahlabend nicht etwa auf die Hochrechnungen aus den Wahllokalen, sondern interessierte sich brennend dafür, ob der österreichische Fallschirmspringer Felix Baumgartner seinen Rekordsprung aus 39 Kilometer Höhe erfolgreich durchführen würde. Wird sich sein Fallschirm öffnen oder nicht? – diese Frage wurde eifriger diskutiert als der mögliche Sieg eines unabhängigen Kandidaten über den Favoriten der Regierungspartei.

Denn allen ist vollkommen klar, dass dieser unabhängige Kandidat nach seinem Sieg den Beitritt in die Partei Einiges Russland bekannt geben wird und somit alles beim Alten bleibt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Snob.ru

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