Kunstmarkt in Ismailowo. Foto: ITAR-TASS
Erster Anlaufpunkt nicht nur für die Deutschen ist der Kunstmarkt, die so genannte Vernissage in Ismailowo, die sich seit den 90er in ein wahres Kitsch- und Kunstmekka ausgeweitet hat. Inzwischen begrüßt den kaufwilligen Besucher ein Holzkreml und eine wahre Festung aus bunten Holzbauten. Anfang der 90er breiteten die Händler ihre Waren auf Tüchern auf der Erde aus, da konnte man schon mal echte Schnäppchen machen, preiswerte Stücke Meissner Porzellans, Broschen aus Familienbeständen, Tafelsilber und vieles andere mehr.
Die Nachfrage ist offensichtlich so groß, dass sich eine richtige Stadt des Kunsthandwerks entwickelt hat. Natürlich steht ein ganzes Heer an Matrjoschkas bereit, bemalte Schmuckdosen, bunte Löffel, Samoware aller Art, große Tücher, Orenburger Wolltücher, eben alles, was als typisch russisches Souvenir gilt. Aber auch kaukasische Dolche und Trinkhörner gibt's im Überfluss.
Militärische Waren haben immer Konjunktur, Mützen aller Art, Flachmänner und Feuerzeuge mit patriotischer Symbolik, Messer, Pilotenkappen, halt alles, womit kleine und große Jungs spielen können. Aber auch gute Teppiche, Fellmützen, Patchworkdecken, Modeschmuck, CDs und DVDs und sehr gute Uhren, besonders gefragt bei den westlichen Besuchern sind die Poljot-Uhren, kann man dort erwerben.
Donnerstags und freitags ist der Markt für die Großhändler geöffnet, da kaufen alle Betreiber von Souvenirständen in der Stadt ihre Waren ein. Also nahezu alles, was von den Händlern an touristischen Brennpunkten der Stadt angeboten wird, stammt vom Markt in Ismailowo.
Auf dem Weg zur Vernissage muss man an einem soliden Holzhaus im russischen Stil vorbei, dem Haus von Großväterchen Frost, dem Ded Moros. Sozusagen international übersetzt heißt es, raten Sie mal, Ded Moros House. Der Eintrittspreis in die Vernissage ist über Jahre stabil geblieben, 10 Rubel. Das sollte aber keineswegs einschläfern, denn drinnen sind die Preise ganz schön gepfeffert. Allerdings hat man die Chance, ordentlich zu handeln. Um ein Drittel kann man den Preis immer drücken. Das macht außerdem noch großen Spaß.
Die Amerikaner werden von den Händlern belächelt, weil sie jedes Jahr vor dem Fest in einen wahren Kaufrausch verfallen. Mit großen Taschen und Rucksäcken bewaffnet sacken sie alles ein, was bunt und russisch ist. Aber auch meine Landsleute kaufen viele Weihnachtsgeschenke eben in Ismailowo.
Händler sind ja ohnehin ein illustres Völkchen, in Ismailowo besonders. Sie haben einen besonderen Charme und in der kalten Jahreszeit so ab gegen 14 Uhr einen Schwips, offensichtlich um der Kälte zu trotzen. Und bei Laune zu bleiben. Da kann man ihnen sogar manchmal ein Schnäppchen wider Willen abluchsen.
Kurz nach dem Eingang steht die Phalanx der Schaschlyk-Griller. Das ist ein besonderes Völkchen, die meisten von ihnen sind ehemalige Offiziere,
die in den wilden 90ern, als die Armeeangehörigen oft monatelang keinen Sold bekamen, ihren Hut nahmen und ihr eigenes kleines Business aufzogen. Sie sind eine eingeschworene solidarische Gemeinschaft, bieten wirklich nur einwandfreies Fleisch an und verbreiten immer gute Laune. Einer von ihnen, Alexej, hat damals bei mir im Art Hotel hin und wieder im Biergarten gegrillt oder mich mit preiswerter Holzkohle oder moldawischem Wein versorgt, den er mit seinem Wolga nebst Anhänger selbst aus Moldawien geholt hatte.
Bei ihnen kann man sich nach dem Einkaufsbummel stärken und auch ein wenig von innen heizen, so dass man gut gelaunt und mit seinem Einkauf den Markt verlässt.
Eine weitere beliebte Anlaufstelle, um Geschenke zu kaufen, ist der Laden in der Schokoladenfabrik am Moskwa-Ufer gegenüber der Erlöserkathedrale. Die Fabrik wurde zwar ausgelagert, um Platz zu schaffen für sündhaft teure Loftwohnungen mit Quadratmeterpreisen um die 100 000$, aber der Laden ist geblieben, wurde nur ein wenig nach hinten, genauer gesagt ans Ende der Uferstraße, verbannt. An seiner Stelle, gleich neben der Patriarchenbrücke, hat ein nobles und sehr edel ausgestattetes Restaurant geöffnet. Allein der Kronleuchter ist eine Augenweide.
Tja, die alte Schokoladenfabrik aus dem 19. Jahrhundert ist ein teures Pflaster geworden.
Auf dem Weg zum Konfektladen, den ich bei richtigem Bilderbuchwetter, minus 8 Grad, Sonne, blauer Himmel und Schnee, zurücklegte, kam ich an einem neuen Hotel vorbei, das in einem einzeln stehenden Backsteinbau auf dem Fabrikgelände entstand und poetisch „Morgenröte" (Zarja) heißt. „Die neuen Clubs „Funky Mama", Glasur" und das etwas ältere Rai (Paradies) locken allnächtlich die so genannte goldene Jugend an. Die Sprösslinge begüterter Eltern werden in Bentleys, Maybachs, Porsche Cayennes, Ferraris, riesigen Jeeps und anderen Edelkarossen angefahren, die Chauffeure warten diskret im Wagen.
Auf der Russkaja Uliza, der russischen Straße, haben junge aufstrebende Designer Läden aufgemacht, wo sie ausgefallene Innenausstattungsgegenstände feilbieten. Neben ihnen mieten Filmproduktionsfirmen alte Fabrikhallen. Und Galerien für moderne Kunst und Galeriecafes haben sich in den Produktionsräumen niedergelassen. Die Galeristen kann man natürlich auch nicht gerade zu armen Künstlerseelen rechnen. Da mieten Kinder von Ölmagnaten und probieren sich in Kunst.
Eine junge Dame, auch ein Kind aus reichem Hause, bricht mit den Stereotypen vom verwöhnten und nicht sehr fleißigen Töchterlein. Sie hat in England Kunst studiert, ihre Spezialstrecke ist die indische Kunst. Sie gestaltet ihre Ausstellungen und Performances weitestgehend selbst und ist eine sehr beschlagene Kunstsammlerin. Ihr Arbeitstag müsste 25 Stunden haben, um alles schaffen zu können.
Ganz am Ende der Uferstraße, kurz vorm viel gescholtenen Denkmal für Peter I., lockt dann das süße Paradies. Dachte ich zumindest. Aber mein langer Weg wurde nicht belohnt, denn ich stand vor fast leeren Regalen. Ich wollte das berühmte russische Konfekt, die Mischkas und Aljonkas in Größenordnungen kaufen. Die Verkäuferin sagte mir, es sei jetzt kurz vor den Feiertagen, da werde viel gekauft. Ist ja richtig, aber warum wird dann nicht auch viel angeliefert? Business po russki, leider. Wenn der Laden brummt, gibt's keine Ware. Das ist sowjetisch. Schade, dass nach 20 Jahren immer noch der alte Schlendrian herrscht. Also muss ich mir das Gewünschte woanders her holen, da ist es aber eben nicht so frisch und lecker wie aus diesem Laden.
Mit mir standen noch viele Käufer staunend vor den leeren Regalen. Vor den Festtagen kaufen auch viele Moskauer und Firmen massenhaft die schmackhaften Schokoladenerzeugnisse. Aber eben nur, wenn sie vorrätig sind.
Die Schlangen darf ich natürlich auf keinen Fall vergessen. Das nächste Jahr ist nach dem chinesischen Kalender das Jahr der Schlange, da ist eine Schlange, egal, in welcher Form, einfach ein Muss. Auch ich komm da nicht drum herum und kaufe also Schlangen aus wunderschönem blau-weißen Gschel-Porzellan. Damit allen das Glück hold bleibt!
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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