Hatte seine Faust nicht unter Kontrolle: Kampfweltmeister Rasul Mirsajew. Foto: ITAR-TASS.
Das Geschehen am 15. August 2011 als solches war eine fast alltägliche Situation: Vor einem Moskauer Nachtclub kommt es zum Streit zwischen zwei jungen Männern – wegen „Anmache" einer fremden Freundin und verbalen Kränkungen. Der eine schlägt dem anderen ins Gesicht, der Kontrahent geht zu Boden.
Dieser Konflikt allerdings endete tödlich – und die Besetzung der „Rollen" war geeignet, neue Phobien zwischen einheimischen Russen und den „Zugereisten" – egal ob Kaukasier mit russischem Pass oder Gastarbeiter aus Mittelasien – zu schüren: „Ausgeknockt" wurde der Moskauer Iwan Agafonow, 19 Jahre alter Student an einer Polizeihochschule.
Schlaksiger Student provoziert kompakte Kampfmaschine
Er hatte vor dem Nachtclub mit einem Funkfernsteuerauto herumgespielt und einem Mädchen im Scherz angeboten, sie damit spazieren zu fahren. Der auf seinen Fotos im Sozialnetzwerk „Vkontakte" sehr sympathisch wirkende Jüngling überlebte den Zwischenfall nur um ein paar Tage: Beim Aufprall seines Kopfes auf den Asphalt wurde das Kleinhirn zerstört.
Den Schlag setzte Rasul Mirsajew, gebürtig aus Dagestan und dreifacher Weltmeister in der als „Kampf ohne Regeln" bezeichneten Brutal-Sportart MMA. Agafonow, selbst 1,92 Meter groß, hatte den nur 1,70 Meter großen und 65 Kilogramm schweren Champion zuvor mit der Anmache von dessen Freundin und einer herablassenden Bemerkung gekränkt – wie genau diese ausgefallen war, darüber gingen die Zeugenaussagen in dem sich monatelang hinziehenden Prozess stark auseinander.
Schlag war nicht tödlich - es war der Sturz
Das Urteil in dem sich über Monate hinziehenden Prozess fiel mild aus: Die Staatsanwaltschaft selbst hatte das Vergehen im Verlauf herabgestuft – von „gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge" auf „fahrlässige
Tötung". Gutachter hatten dargelegt, dass der Faustschlag gegen die Wange keine Verletzungen verursacht hatte. Tödliche Folgen hatte nur der Aufprall des Hinterkopfs „aus der Höhe der eigenen Körpergröße" auf den Asphalt. Mirsajew, der sich einige Tage nach dem Vorfall der Polizei gestellt hatte, wurde zu zwei Jahren „Freiheitsbeschränkung" verurteilt. Dies heißt, er hätte seinen heimischen Landkreis in Dagestan nicht verlassen und an keinen Vergnügungs-Veranstaltungen teilnehmen dürfen.
Doch da er bereits 15 Monate in U-Haft abgesessen hat, wurde die Strafe vom Gericht als verbüßt bewertet. Der Champion verließ – wie er später sagte, zu seiner eigenen Verblüffung – das Gericht als freier Mann. Er habe in der Haft sein bisheriges unstetes Leben und seine Werte gründlich überdacht, sagte er Journalisten.
Rechte Szene sammelt sich zum Krawall
Das Gerichtsgebäude war von starken Polizeikräften gesichert. Auch der Manage-Platz war gestern Abend abgeriegelt worden. Mehrere Dutzend Personen wurden festgenommen, da es nach Randale und einer Wiederholung der Ausschreitungen vom Dezember 2010 roch: Damals hatte ein Kaukasier bei einem Streit auf offener Straße einen Moskauer Fußball-Fan tödlich verletzt. Die Behörden provozierten anschließend selbst die rassistischen Ausschreitungen, da einige der kaukasischen Beteiligten des Konflikts schnell und unbürokratisch wieder freigelassen worden waren.
Auch im Gerichtssaal kam es gestern zu Tumulten. Der Vater des Opfers verließ noch während der Urteilsverkündigung unter Protest den Saal. Mitfühlende beklagten, dass der „Tod eines russischen Menschen auf russischem Boden" ungesühnt bleibe. „Das heißt, man kann uns auch weiter umbringen! Wir sind aber noch viele!" so ein anderer Zwischenrufer.
Migranten-Zahl fördert nationalistische Stimmung
Die hohe Zahl von Zuwanderern aus islamischen Kulturkreisen verunsichert und verärgert in letzter Zeit die Moskauer Bevölkerung
immer mehr - zumal die Migranten oft das rechte Gespür für die dort üblichen Sitten vermissen lassen. 65 Prozent der Russen sind einer neuen Umfrage des Institutes "Levada-Zentr" der Meinung, die Zuwanderung müsse eingeschränkt werden - hauptsächlich wegen der damit wachsenden Kriminalität.
"Eine nationalistische Partei würde in Moskau gegenwärtig 25 bis 30 Prozent der Stimmen bekommen, weil die Migranten eines der stärksten sozialen Reizthemen sind", so der Experte Waleri Solowej heute in der Zeitung "Kommersant".
Täter unbescholten
Die Anwälte der Nebenkläger im Mirsajew-Prozess kündigten an, das Urteil anzufechten. Der Richter erklärte später, er hätte gar kein härteres Urteil fällen können, da die Staatsanwaltschaft selbst die Art des Verbrechens herabgestuft habe. Eine Rolle spielte auch, dass Kampf-Weltmeister Mirsajew, Spitzname „Schwarzer Tiger", sich bisher nie etwas hatte zu Schulden kommen lassen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russland Aktuell.
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