Foto: Alexandra Gusewa, Russland HEUTE.
Mit dem ersten Schnee und Frost kommt zum 14. Mal die Messe für anspruchsvolle Literatur non/fiction nach Moskau. Vor dem Eingang zum Zentralen Künstlerhaus, wo die Messe stattfindet, warten die Besucher unbeirrt von Schneegestöber und Alltagshektik in einer langen Schlange auf den Einlass. Ehrengast der diesjährigen Messe ist Deutschland.
„Als Russland 2003 Gastland in Frankfurt war, erwarteten einige deutsche Leser die bekannten Klischees: Wodka, Bären und Matrjoschkas. Auch in Russland gibt es genug Vorurteile über die deutschsprachige Literatur. Sie gilt als humorlos, anstrengend und kopflastig. Aber ebenso wie es den russischen Verlagen gelungen ist, die stereotypen Vorstellungen über ihre Literatur zu zerstreuen, möchten wir die Vorurteile über die deutsche Literatur entkräften und das Bild um neue Facetten bereichern", so der Chef der Frankfurter Buchmesse Jürgen Boos.
Das Ziel der diesjährigen Moskauer Messe non/fiction ist es, kleine unabhängige Verlage zu fördern, die nicht finanzkräftig genug sind, um ihre Literatur auf den Markt zu bringen. Sie haben keine eigenen Buchhandlungen, und in den großen Ketten sind sie oft nicht vertreten. Die Teilnahme dieser Verlage an der Messe wurde daher bezuschusst. Diese haben damit nicht nur einen kleinen finanziellen Zugewinn, sondern die Chance, sich neue Vertriebswege für ihre Bücher zu erschließen. Deutschland unterstützt dieses Konzept.
Kinderliteratur gefragt
„Ich habe hier in Moskau noch nie so viele deutschsprachige Bücher auf einmal gesehen. In den Buchhandlungen gibt es natürlich deutsche
Literatur, aber vor allem die Klassiker. Die Auswahl ist begrenzt. Auf dieser Messe dagegen findet man die verschiedensten Bücher, unter anderem sehr schön illustrierte Kinderliteratur. Eine wahre Fundgrube für alle, die Deutsch lernen und sich für Deutschland interessieren", berichtet die 25-jährige Messebesucherin Lisa. Der Stand neben der Abteilung für Kinderliteratur stellt Werke deutscher Autoren aus, die ins Russische übersetzt wurden. Ein roter Teppich mit der Aufschrift „Germanija" führt die Besucher zur klassischen deutschen Literatur. Hier findet man Rilke und Schiller in unterschiedlichsten Ausgaben, darunter auch zeitgenössische Weihnachtsgedichte.
Der Büchermarkt für übersetzte Literatur entwickelt sich erfreulich dynamisch. Allein im vergangenen Jahr erschienen in Deutschland, so berichtet Jürgen Boos, 120 aus dem Russischen übersetzte Titel, mehrheitlich Belletristik.
„Ich arbeite in Moskau und lerne intensiv Russisch. Ich werde hier wohl Bücher in beiden Sprachen kaufen, das ist eine tolle Gelegenheit", sagt die deutsche Messebesucherin Anna (34 Jahre).
Wer alle Bücherstände hinter sich gelassen hat, stößt auf eine Lese-Ecke. Hier laden Tische mit Gebäck zum Verweilen ein. Angrenzend präsentiert ein Regal Ausgaben der Buchreihe WAS IST WAS. Die Besucher stürzen sich regelrecht auf diese Entdeckung und fangen an darin zu blättern – das russische Pendant zählte zur Grundausstattung praktisch jeden russischen Schülers der 90er Jahre.
Deutschsprachiges Stimmengewirr dringt aus der Ausstellungshalle der
ersten Etage des Künstlerhauses. Das Publikum lacht und applaudiert. Der Poetry-Slam-Künstler Bas Böttcher hat mit seinen unglaublichen literarischen Zungenbrechern einen Schnellkurs in deutscher Sprache abgehalten. Er forderte das Publikum auf, mit Einsätzen wie „ja" oder „nein" oder Zahlenreihen zehn, neun, acht, sieben ... an seiner Darbietung mitzuwirken. In eine Lektüre Versunkene oder vom Buch-Shopping müde gewordene Messebesucher finden in der Cafeteria bei Kaffee und Kuchen einen ruhigen Platz.
„Die non/fiction-Buchmesse ist einer der kulturellen Höhepunkte des Deutschlandjahres in Russland. Deutschland ist Ehrengast dieser Buchmesse und wir werden ein sehr umfangreiches Programm, viele Autoren aus unterschiedlichsten Bereichen und Bücher von 220 deutschen Verlagen präsentieren", so Jens Beiküfner, Leiter der Kulturabteilung der Deutschen Botschaft in Moskau.
„Für mich gibt es einen neuen Aspekt an dieser Buchmesse. Wir haben erstmalig eine Verkaufsstätte, die dem Publikum Bücher sowohl in deutscher als auch in russischer Sprache anbietet. Es ist mir aber auch wichtig, einen anderen Gesichtspunkt zu erwähnen: 2013 konzentrieren wir das Deutschlandjahr auf die Regionen. Wir werden von Kaliningrad bis Wladiwostok präsent sein, schwerpunktmäßig in Nizhnij Nowgorod, Wolgograd, Nowossibirsk und Jekaterinburg."
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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