Russlands Ständiger Vertreter bei FAO Alexej Meschkow: Auf dem internationalen Getreidemarkt behauptet Russland heute eine führende Position. Foto: Michele Palazzi
Russland HEUTE: Herr Meschkow, Sie sind erster bevollmächtigter Vertreter Russlands bei der UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO und nebenamtlich Vertreter beim Welternährungsprogramm. Ist der Reformweg der FAO erfolgreich?
Alexej Meschkow: Die ersten Reformschritte leitete bereits Jacques Diouf ein, der 18 Jahre lang Generalsekretär der FAO war. Sie werden von seinem Nachfolger, dem Brasilianer Graziano da Silva, fortgesetzt. Das zentrale Reformziel ist die Dezentralisierung der Arbeit, sie soll stärker lokal verankert werden. Diese Linie unterstützen wir vorbehaltlos und konsequent.
Wie schätzt die FAO die Ernährungssituation in der Welt ein? Haben die Naturkatastrophen tatsächlich zu Einbrüchen auf dem Getreide- und Fleischmarkt geführt?
Die diesjährigen Missernten bei Mais, Soja und Getreide in den wichtigsten Erzeugerländern hat natürlich einen gewissen Druck entstehen lassen. Es wäre aber verfehlt, die gegenwärtige Lage mit den Ernährungskrisen vor einigen Jahren zu vergleichen – und zwar aus zwei Gründen. Zum einen verzeichnen wir weltweit sehr positive Kennzahlen bei der Erzeugung von Reis. Zum anderen können wir auf Vorräte aus dem vergangenen Erntejahr zurückgreifen.
Die FAO schätzt die gegenwärtige Situation als schwierig, aber nicht als hoffnungslos ein. Wir unternehmen zudem alles in unserer Macht stehende, um eine Krise abzuwenden. Es gibt im Übrigen auf den Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse Spekulanten, die an Preisschwankungen und Agiotagegeschäften interessiert sind. Daher ist es so wichtig, die Konjunktur zu beobachten und dabei realistische Statistiken der FAO zugrunde zu legen.
Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?
In den vergangenen Jahren ist es uns gelungen, weitaus transparentere Marktmechanismen zu etablieren und so unseren Zielen näher zu
kommen. Langfristig jedoch müssen wir schwierige Aufgaben lösen. Wir haben zwar die Zahl der Hungernden weltweit gesenkt, aber nicht in hinlänglichem Maße. Das hängt teilweise mit den zurückliegenden Krisenjahren zusammen. Wir gehen heute von 900 Millionen Hungernden aus. Im Jahr 2050 werden wir 9 Milliarden Menschen ernähren müssen, dafür ist praktisch eine Verdoppelung der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion erforderlich. Diese Aufgabe ist sehr komplex. Sie betrifft die Landwirtschaft im engeren Sinne ebenso wie die Fischerei und die Aquakulturen, die Wasserproblematik, den Umgang mit unseren Wäldern und die soziale Entwicklung.
Wie sieht die Ernährungssituation in Russland aus?
Auf allen diesen Gebieten ist Russland sehr engagiert. Die Ernährungssituation in Russland bewertet die FAO als stabil. Wir liegen hier auf dem Niveau der hoch entwickelten Industrieländer. Russland ist zwar bis heute Nettoimporteur von Fleisch, wir bewegen uns aber konsequent unserem Ziel der Selbstversorgung entgegen, vor allem beim Geflügelfleisch.
Auf dem internationalen Getreidemarkt behauptet Russland heute eine führende Position, und diese Entwicklung bleibt stabil. Die FAO misst der Bedeutung Russlands für den erforderlichen Anstieg der Nahrungsmittelproduktion großes Gewicht bei. Die Fragen der Ernährungssicherheit stehen im Programm unseres bevorstehenden Vorsitzes in den internationalen Foren G20 und G8 ganz oben.
In internationalen Organisationen wird heute die Zusammenarbeit der ständigen Vertreter der BRIC-Staaten, also Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und Südafrikas, verstärkt. Ist diese Tendenz auch in der FAO festzustellen?
Zweifellos. Der enge Zusammenhalt der BRIC-Staaten wird in der FAO über unsere ständigen Vertreter sichergestellt. Ein markanter Beleg dafür ist die Wahl von José Graziano da Silva zum Direktor der FAO. Für diesen Posten gab es zwei Bewerber. Die geheime Wahl ergab aber eine Mehrheit von zwei Stimmen für den Vertreter der BRICS.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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