Das Kino öffnet neue Horizonte in der deutsch-russischen Zusammenarbeit

Leiter der Abteilung für Kulturprogramme des Goethe-Instituts und Programmleiter des Deutschlandjahres in Russland Dr. Wolf Iro. Foto: Pressebild

Leiter der Abteilung für Kulturprogramme des Goethe-Instituts und Programmleiter des Deutschlandjahres in Russland Dr. Wolf Iro. Foto: Pressebild

Der Austausch der Kinoschaffenden beider Länder erschafft neue Brücken des Dialogs und der Kooperation. Gemeinsame Projekte bilden neue Netzwerke, die bis in den Alltag der Menschen hineinwirken.

In diesen Tagen findet in Moskau das 11. Deutsche Kinofestival im Rahmen des Partnerschaftsjahres 2012-2013 statt. Die Bedeutung dieses Ereignis geht weit über das Kulturelle hinaus – in gesellschaftliche und politische Bereiche. Über diese Entwicklung unterhielt sich der Leiter der Abteilung für Kulturprogramme des Goethe-Instituts und Programmleiter des Deutschlandjahres in Russland Dr. Wolf Iro mit Russland HEUTE.

Russland HEUTE: Wie würden Sie Ihren Freunden in der deutschen Heimat kurz und knapp das Wichtigste über Russland und die Russen erklären?


Dr. Iro: Das kann ich leider gar nicht kurz und knapp sagen! Ich erzähle meinen Freunden oft über Russland und die Russen. Mit Russland verbindet mich eine langjährige und intensive persönliche Freundschaft, da ich schon lange in Russland bin. Ich habe an der Philologischen Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität studiert.

Welche bisherigen Ereignisse im Rahmen des Partnerschaftsjahres Russland-Deutschland 2012-2013 sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Welche sollten hervorgehoben werden?

In der Regel sind alle Ereignisse dieses Programmes sehr besonders und einzigartig, weshalb ich hier auch kein konkretes Projekt benennen möchte. Ich kann Ihnen lediglich etwas über das letzte Ereignis, das gerade stattgefunden und mich wirklich sehr berührt hat, berichten. Es dreht sich um die Premiere eines außergewöhnlichen Theaterstücks, mit behinderten Menschen in den Hauptrollen. Das Stück wurde im Theaterstudio „Krug II“ entwickelt und die Premiere fand auf der Bühne des Moskauer Theaters „Zentrum für Dramaturgie und Regiekunst von Kasanzew und Roschtschin“ statt.

Das Theaterprojekt trägt den Namen „Entfernte Nähe“. Es handelt sich

hierbei um eine Inszenierung des deutschen Regisseurs Gerd Hartmann, der extra dafür nach Russland gekommen ist. Gemeinsam mit seinem russischen Kollegen Andrej Afonin studierte er das Stück innerhalb von sieben Wochen ein. Es basiert auf Texten, die aus der Feder russischer Künstler stammen, die unter Autismus leiden. Bei der Inszenierung bilden Behinderte zusammen mit professionellen Schauspielern ein herausragendes Ensemble. Aus dieser Zusammenarbeit ist etwas wirklich Bemerkenswertes herausgekommen!

Und es handelt sich in der Tat um ein Kunstwerk und nicht um ein soziales Projekt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, es ist wirklich beeindruckend. Dies ist auch der Grund, dass das Moskauer Theater „Zentrum für Dramaturgie und Regiekunst“ den Wunsch äußerte, die Inszenierung in ihr Standardrepertoire aufnehmen zu dürfen. Das Stück wird nun einmal im Monat regulär aufgeführt.

Es handelt sich, wie oben angedeutet nicht um ein Theaterstück, das die künstlerischen Fähigkeiten von Mitmenschen mit eingeschränkten Möglichkeiten gesondert in den Vordergrund stellt. Vielmehr geht es darum, wie diese Menschen mit ihrer Biographie und ihrem Blick auf die Umwelt einen ganz besonderen Beitrag für die Gesellschaft und die Kunst leisten können. Wenn man in diese Inszenierung eintaucht, weiß man irgendwann nicht mehr, wer nun die professionellen Schauspieler und wer die von der Gesellschaft als behindert angesehenen Menschen sind. Man beginnt, sich einfach nur an der dargebotenen Kunst zu erfreuen.

Das letzte Deutsch-Russische Jahr fand 2004 statt. Was hat sich seitdem verändert und wodurch zeichnet sich das momentane Programm aus?

Der Schwerpunkt des Programms 2004 lag auf dem kulturellen Dialog unserer Länder. Nun haben wir einen etwas anderen Ansatz gewählt. Wir möchten Deutschland als Ganzes vorstellen. Wir haben dabei die Möglichkeit, nicht nur kulturelle Events zu präsentieren, sondern auch Themen aus den Bereichen Wirtschaft, Soziologie, Politik, Bildung und vielen anderen mehr.

Mit welchen Programmpunkten und Diskussionsanstößen kann das Partnerschaftsjahr einen positiven und konstruktiven Einfluss auf das wirtschaftliche, soziale und geistige Leben in Deutschland und Russland ausüben?


Für mich als Programmleiter ist es am allerwichtigsten, dass ein lebhafter und kreativer Austausch zwischen den Menschen stattfindet. Wir möchten, dass im Rahmen der Veranstaltungen möglichst viele interaktive Formate entstehen. Gäste und Experten aus Russland und Deutschland sollen sich treffen und miteinander diskutieren, sie sollen zusammen arbeiten, um gemeinsam beide Länder nicht nur kulturell weiter zu bringen.

Zum Beispiel haben der deutsche Jazzmusiker Joachim Kühn und der

russische Musiker Alexej Kruglow gemeinsam ein großartiges Album aufgenommen, an dem wir uns nun alle erfreuen können. Dies ist nur ein Beispiel von vielen Kooperationen, bei dem sich ein Gast aus Deutschland mit seinen russischen Kollegen getroffen hat und dadurch etwas Spannendes, Neues und Interessantes herausgekommen ist. Genau das erscheint mir am wichtigsten. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir einander kennen. Wir blicken auf eine lange gemeinsame Vergangenheit zurück, doch diese Bekanntschaft und diese Freundschaft müssen wir ständig pflegen und erneuern.

Wie kann ein Filmfestival oder auch die Entwicklung gemeinsamer Filmprojekte dazu beitragen, den deutsch-russischen Film weiter zu entwickeln?


Schon beim letzten Mal waren sehr viele Fachleute mit von der Partie. Produzenten, Regisseure, Schauspieler und Drehbuchautoren, die an der Entwicklung von Geschäftskontakten interessiert waren, tauschten sich auf dem Festival aus. Das Filmbusiness ist ein äußerst kompliziertes Metier. Häufiges Problem der Branche ist dabei immer die Frage der Finanzierung eines Filmprojekts. Es ist gut, wenn sich Beziehungen zwischen Filmschaffenden und Geldgebern entwickeln und schließlich ein qualitativ hochwertiges Produkt daraus entsteht. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die Finanziers nicht zu einer alles überlagernden Kraft werden, die dem Film eine Note hinzufügen, die ursprünglich nicht vorgesehen war. Wenn es um deutsch-russische Koproduktionen geht, muss bemerkt werden, dass oft Themen behandelt werden, die beiden Ländern nah sind – dadurch wird die gemeinsame Aufarbeitung der Geschichte verbessert.

Sehr geehrter Dr. Iro, vielen Dank für das Interview. Laden Sie Ihre Freunde zu uns nach Russland ein – wir freuen uns auf sie!


Vielen Dank! Ich lade meine Freunde immer wieder ein. Und sie folgen meiner Einladung!

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