Schon von weitem hört man Weihnachtslieder, manche Besucher haben sich Weihnachtsmann-Mützen aufgesetzt. Die Menschen schieben sich an den Ständen mit Kunsthandwerk vorbei, wärmen ihre kalten Hände am Glühwein und lassen sich Bratwurst, Schweinebraten mit Sauerkraut und Christstollen schmecken. Kulinarische Überraschung ist eine echte deutsche Erbsensuppe.
Die kleinen Besucher können an einer weihnachtlichen Sonderführung teilnehmen. Zuerst lernen sie, einen Stern von Bethlehem zu basteln. Es folgt eine Mini-Inszenierung der Geburt Jesu. Danach erklärt man ihnen im Haus, warum alle deutschen Kinder in der Nacht auf den 6. Dezember ihre geputzten Stiefel vor die Tür stellen. Die Kinder erfahren, warum auf dem Adventskranz vier Kerzen stehen, warum der Adventskalender 24 Türchen hat und auch warum auf einem traditionell gedeckten Weihnachtstisch Fisch, Ingwer-Lebkuchen und Stollen nicht fehlen dürfen. Sehr beeindruckt zeigen sich die jungen Besucher von einem Pfefferkuchenhaus, das in etwa so hoch ist wie ein dreijähriges Kind.
Die Aufregung angesichts dieses gastronomischen Wunderwerks ist noch nicht verflogen, da wartet schon die nächste Sensation. Die Kinder
werden in das Zimmer des Heiligen Nikolaus eingeladen, der in seinem Goldenen Buch die Namen aller Anwesenden und eine Liste aller ihrer guten und schlechten Taten des vergangenen Jahres entdeckt. Um die quirlige Kinderschar herum wird es auf einmal ganz ruhig, ängstliche Stille füllt den Raum – und was, wenn die Missetaten überwiegen und das Geschenk ausbleibt? Selbst die Eltern wirken eine kurze Weile beklommen, vielleicht fallen die Offenbarungen des Nikolaus auch auf sie zurück? Aber der Alte bleibt gutmütig. Zwiebel, Knoblauch und Rute erspart er den Kleinen. Schließlich bekommen alle Weihnachtsmarktbesucher einen echten Adventskalender geschenkt.
Für das ältere Publikum bringt das Kammertheater sechs Stücke im Rahmen des Programms „Deutsche Weihnacht für die ganze Familie" auf die Bühne. Die Karten sind schon ein Woche vor der Vorstellung ausverkauft. Die Zuschauer sehen hier nicht nur, wie Väterchen Frost und der Heilige Nikolaus Freunde werden können. Sie sind auch eingeladen, an traditionellen deutschen und russischen Spielen rund um den Tannenbaum teilzunehmen. Im Museum für Puppen und Kinderbücher werden die Helden von E.T.A. Hoffmanns „Nussknacker und Mausekönig" lebendig. Und im Reschetnikow-Museum drehen sich sächsische Holzfiguren langsam zur Musik.
Vom Kunsthandwerk inspirierte Besucher testen ihre eigenen Fertigkeiten, etwa in der Serviettentechnik, im Stricken mit Wolle, in der Keramikmalerei oder im Seifensieden. Als Vorbilder können Arbeiten von Schülern aus dem Ural genutzt werden, den Siegern des letzten weihnachtlichen Wettbewerbs. Hier lernt man, dass es möglich ist, aus einfachem Material – Papier, Wollfäden, Makkaroni und Luftballons – wahre Kunstwerke entstehen zu lassen.
Es ist tatsächlich gelungen, bei einer Temperatur von 15 Grad unter Null eine warme und gemütliche Atmosphäre zu erzeugen. Der Markt zieht viele Familien mit Kindern an, nicht nur Deutschlandkenner, sondern einfach neugierige Jekaterinburger. Ort des Geschehens ist das Literatenviertel direkt im Zentrum der Stadt, in dem die Museen und Theater konzentriert sind.
Anfangs irritiert der Anblick eines geschmückten Tannenbaums vor einem typischen russischen Holzhaus aus dem 19. Jahrhundert Anfang Dezember natürlich ein wenig. Und auch der Hirsch ist kein ortsübliches Symbol. Aber allmählich wird die Idee der Veranstalter, nämlich Tradition in ihrer Vielfalt zu zeigen, erkennbar.
„In diesen Tagen herrscht in deutschen Städten schon eine vorweihnachtliche Atmosphäre. Wir wollten etwas von diesem europäischen Flair nach Jekaterinburg holen und die Menschen hier auf das herannahende Fest einstimmen", so der stellvertretende Generalkonsul Deutschlands in Jekaterinburg Markus Forster. Im vergangenen Jahr habe man ganz klein angefangen, dieses Mal sei die Zahl der Verkaufsstände und Partner, darunter drei Museen, das Dramatische Theater der Stadt, lokale gewerbliche Unternehmen sowie die großen Handelsketten OBI und Metro, bereits gestiegen.
Die russisch-orthodoxen Christen feiern Weihnachten am 7. Januar. Während der Zeit des Sozialismus hatte Weihnachten doch keinen Platz im offiziellen Feiertagskalender. Viele Bräuche gerieten in Vergessenheit. Erst seit 1991, als der 7. Januar zu einem offiziellen Feiertag erklärt wurde, wird Weihnachten in Russland wieder richtig gefeiert.
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