Der russische Präsident Wladimir Putin während des G20-Gipfeltreffens im mexikanischen Los Cabos Foto: AP.
Vom 1. Dezember 2012 bis zum 30. November 2013 hat Russland den Vorsitz in der G20, der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, inne. Die G20 erwirtschaften etwa 90% des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und stehen für 80% des Welthandels. Die Gruppe repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung. Das 8. Treffen der Staats- und Regierungschefs der G20 findet am 5. und 6. September 2013 in St. Petersburg statt.
Der russische Präsident Putin kündigte vor Kurzem in einer Rede bereits an, dass sein Land die wichtigste Aufgabe in der Konzentration der G20 auf
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die Erarbeitung von stimulierenden Maßnahmen für ein erhöhtes Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sehe. Es ist zu erwarten, dass Russland, den Zustand der Weltwirtschaft, die Erhöhung der Beschäftigungsquote, Reformen des weltweiten Währungssystems, die Stabilität der Energiemärkte, Fragen der internationalen Zusammenarbeit, die Stärkung des multilateralen Handels und die Bekämpfung der Korruption auf die Tagesordnung setzt. Neben diesen "traditionellen" Themen plant Russland zwei neue Prioritäten vorzuschlagen. Das sind zum einen die Finanzierung von Investitionen als Grundlage für Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze sowie die Modernisierung der nationalen Systeme für Staatsanleihen und Management von Staatsschulden.
Das Schlüsselthema während des russischen Vorsitzes der G20 werde jedoch die Wiederherstellung des Vertrauens der Investoren sein, ist sich der russische Finanzminister Anton Siluanow sicher. Seine Sorgen sind einfach zu erklären. Das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich sogar in den bisherigen wirtschaftlichen Lokomotiven, inklusive China. Die südlicheren Länder der EU tun sich sehr schwer, aus der Rezession herauszukommen. Kein Wunder, dass Großinvestoren äußerst vorsichtig agieren. Darunter leiden vor allem Entwicklungsländer, unter anderem in Lateinamerika.
Vorrangig sei auch, so Siluanow weiter, die Lösung der Schuldenprobleme jener Länder, deren Verschuldung über 100% des Bruttoinlandsprodukts betrage. Es sei kein Zufall, dass Russland dem Thema Staatsschulden während seines G20-Vorsitzes besondere Aufmerksamkeit schenken werde. Moskau wolle konkrete Programme zur Verringerung von Staatsschulden vorstellen, so der Finanzminister.
Während des G20-Vorsitzes Russlands steht auch die Überarbeitung der Quotenberechnungsformel im Internationalen Währungsfonds (IWF) an. Noch beträgt Russlands Anteil am Kapital des IWF ganze 2,8%, während die USA 17% und die EU über 30% beisteuern. Bei der Verteilung der Quoten müsse das Bruttoinlandsprodukt der entscheidende Faktor sein, fordert Siluanow.
Während die BRICS-Länder (die Gruppe der fünf großen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die Red.), aber auch die USA und mehrere weitere G20-Staaten die russische Meinung teilen, kommt Widerstand insbesondere von den kleineren europäischen Ländern. Diese befürchten, dass ihre Quoten im IWF deutlich fallen könnten.
Nach Auffassung des russischen Finanzministers entspricht die derzeitige Quotenverteilung nicht mehr der Realität. Die Schwellenländer seien heute nicht mehr das, was sie vor fünf oder zehn Jahren gewesen seien. Der Wunsch dieser Länder, im IWF und im weltweiten Finanzsystem mehr Einfluss zu haben, sei ganz natürlich.
Eine Besonderheit des russischen Vorsitzes wird das Gipfeltreffen der BRICS-Staaten im Vorfeld des G20-Gipfeltreffens sein. Die BRICS- Staaten haben bereits ein ganzes Paket an Vorschlägen zur Reorganisation der wichtigsten internationalen Institutionen, vor allem im Bereich Finanzen und Wirtschaft auf den Tisch gelegt. Dabei geht es ihnen um mehr als nur um ihre Partikularinteressen.
Bewiesen werde dies z.B. durch das von den BRICS-Ländern vorgeschlagene Programm zur Reformierung des IWF und der Weltbank, erklärt Wladimir Dawydow, Direktor der Lateinamerika-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften. Es ziele auf die Stärkung der Positionen der gesamten Ländergruppe in den entscheidenden Strukturen des internationalen Finanzmanagements ab", so der Experte.
Gennadi Tschufrin, Professor am Institut für makroökonomische Modelle der Russischen Akademie der Wissenschaften, ist der Meinung, dass Russland als G20-Vorsitzender die einmalige Chance habe, die Rolle der BRICS-Länder zu stärken. Zur Zeit gäbe es in IWF und Weltbank noch ein klares Übergewicht des Westens. Dieses Kräfteverhältnis sollte zugunsten der BRICS-Länder geändert werden.
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