Der Gesetzentwurf gegen die US-amerikanische Menschenrechtsverletzer wurde von vier Duma-Fraktionen sowie dem Duma-Sprecher Sergej Naryschkin in die Beratung eingebracht. Foto: ITAR-TASS.
Der Auseinandersetzung vorausgegangen war die eindringliche Aufforderung der USA und der EU, dass die Ermittlungen zum Tode von Sergej Magnitskij die russischen Justizbehörden energisch vorantreiben. Als Sanktion waren Einreiseverbote in die USA und die EU für 60 russische Staatsbürger erlassen worden, denen vorgeworfen wurde, am Fall beteiligt gewesen zu sein. Auch das Einfrieren deren Bankguthaben und die Konfiszierung weiteren Besitzes im Ausland wurden angedroht.
Nun reagiert Russland auf den vom US-Senat gebilligten „Magnitsky Act" mit einem eigenen Gesetzentwurf. Eine noch zu bestimmende Anzahl von US-Bürgern wird damit auf eine Schwarze Liste gesetzt. Ihnen wird die
Einreise verweigert sowie angedroht, auf russischem Staatsgebiet befindliche Konten und Eigentum zu beschlagnahmen. Das Gesetz soll noch bis Ende des Jahres von der Duma durchgepaukt werden.
Obwohl die Namen auf der Liste noch nicht offiziell sind, geht man in Russland davon aus, dass dazu Zeugen und Richter im Verfahren gegen den russischen Geschäftsmann Viktor But sowie die an der Abstimmung über den „Magnitsky Act" beteiligten Parlamentarier gehören. Im November 2011 wurde der russische Geschäftsmann unter anderem wegen Verschwörung zum Mord und Waffenhandel schuldig gesprochen. Das Bundesgericht in New York verhängte gegen ihn im April 2012 eine Strafe von 25 Jahren Haft sowie eine Geldstrafe in Höhe von 15 Millionen US-Dollar.
In der vergangenen Woche wurde der Gesetzentwurf von vier Duma-Fraktionen – Einiges Russland, KPRF, LDPR und „Gerechtes Russland" – sowie dem Duma-Sprecher Sergej Naryschkin in die Beratung eingebracht. Der sperrige Titel des Gesetzentwurfs lautet „Über Maßnahmen zur Einwirkung auf Personen, die an der Verletzung von Rechten russischer Staatsbürger beteiligt sind." Das entscheidende Wort „Personen" bezieht sich ausschließlich auf Staatsbürger der Vereinigten Staaten.
In der Duma macht niemand einen Hehl daraus, dass das Gesetz eine Antwort auf den „Magnitsky Act" ist. Der Fraktionsführer von „Einiges Russland" Wladimir Wassiljew wies darauf hin, dass es den Abgeordneten gelungen ist, zu einer „geschlossenen patriotischen Position" zu gelangen. Dass die Beziehungen zu den USA unter dieser Initiative leiden könnten, fürchtet indes niemand.
„Wir dürfen uns jetzt nicht Spekulationen hingeben, ob unsere transatlantischen Beziehungen belastet werden oder nicht. Die USA haben gegen das Völkerrecht verstoßen, gegen internationale Gepflogenheiten. Das ist ein Akt der Willkür. In die amerikanische Schwarze Liste kann jeder geraten, dessen Anschauungen den Amerikanern gerade nicht passen. Russland ist nun am Zug und muss eine eindeutige und adäquate Position einnehmen", erläutert der Abgeordnete und Leiter des juristischen Dienstes der KPRF Wadim Solowjew seine Position.
Der Leiter des Instituts für politische Soziologie Wjatscheslaw Smirnow weist darauf hin, dass die Liste nicht öffentlich ist. „Solange einer Person das Einreisevisum nicht verweigert wurde, hat sie keine Ahnung, dass sie überhaupt auf dieser Liste steht. Demnach ist der Beschluss ein Vorratsbeschluss, und über Sanktionen bei Einreise wird unmittelbar nach Lage der Dinge entschieden", argwöhnt der Experte. Das Duma-Gesetz werde nach Auffassung Smirnows maximal hundert Personen betreffen. Da Amerikaner keine häufigen Gäste in Russland sind, wird die Zielgruppe eher klein ausfallen. Auf der anderen Seite kann theoretisch jeder beliebige Politiker, Diplomat oder Journalist aus den USA auf die russische Schwarze Liste geraten.
Möglicherweise werden auch die Richter in der Liste auftauchen, die amerikanische Adoptiveltern russischer Kinder freigesprochen haben. „Aber das dürfte fast der einzige Bereich sein, in dem Amerikaner permanent die Rechte von Russen verletzen", betont Smirnow. Der Politologe schätzt, dass die Verabschiedung des russischen Pendants zum „Magnitsky Act" höchstens ein paar skandalträchtige Einreiseverweigerungen nach sich zieht, danach aber bald niemand mehr darüber spricht.
Der Leiter des Zentrums für politische Informationen Alexej Muchin geht einen Schritt weiter und warnt die russischen Abgeordneten sogar davor, den "Magnitsky Act" mit demselben Werkzeug zu vergelten. „Es handelt sich im Grunde um eine interne Angelegenheit der USA. Wenn Russland dem Ganzen zu viel Aufmerksamkeit schenkt und sogar aktiv Gegenmaßnahmen ergreift, dann stilisieren wir das Geschehen tatsächlich zu einem bedeutenden politischen Ereignis hoch."
Der Experte gibt auch zu bedenken, dass die aggressive Antwort Russland sogar kontraproduktiv sei. Die USA, so Muchin, seien daran interessiert, dass sich auch viele europäische Länder den „Magnitsky Act" zu Eigen machen. „Eine scharfe Reaktion von russischer Seite könnte dazu führen, dass unentschlossene Europäer sich der amerikanischen Initiative zuneigen", befürchtet er.
Kommt das Gesetz, so kann schon ab 1. Januar 2013 sechs verschiedenen Kategorien amerikanischer Staatsbürger die Einreise nach Russland verweigert werden:
1. Personen, die Straftaten gegenüber im Ausland lebenden Russen begangen haben oder an solchen beteiligt waren;
2. mit staatlichen Vollmachten ausgestattete und der Verantwortung enthobene Personen, die straffällig gegenüber Russen geworden sind;
3. Personen, die an der Verschleppung oder gesetzwidrigem Freiheitsentzug russischer Staatsbürger beteiligt waren;
4. Richter, die Russen unbegründet und ungerecht verurteilt haben;
5. Angehörige der Justiz, die russische Staatsbürger unbegründet juristisch verfolgt haben;
6. Verantwortliche für ungerechtfertigte Entscheidungen, wodurch die Rechte und gesetzliche Interessen russischer Staatsbürger verletzt wurden.
Die von der russischen „Liste" erfassten Personen müssen mit Restriktionen rechnen. Ihre Konten und Aktiva in Russland werden beschlagnahmt, der Handel und Investitionsgeschäfte werden verboten. Die Ausübung von Mandaten und juristischer Tätigkeiten dieser Personen in Russland wird ausgesetzt.
Die noch offene Namensliste wird das russische Außenministerium erstellen. Ergänzungen können beide Kammern des russischen Parlaments, der Beauftragte für Menschenrechte in Russland, die Gesellschaftskammer, politische Parteien sowie auch Behörden vornehmen. Die Liste ist nicht-öffentlich.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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