Sanktionen müssen weh tun, sonst sind sie nur Symbolpolitik. Was ist in dieser Hinsicht von Streit um die sogenannte Magnitskij-Listen zu halten? Erst veröffentlicht das US-Außenministerium eine Liste russischer Beamter, die verdächtigt werden, mitschuldig zu sein am Tod des Anwalts Sergej Magnitskij. Der starb 2009 in russischer Untersuchungshaft. Dann kündigt das russische Außenministerium an, eine eigene Liste zu erstellen. Darauf sollen die Namen solcher Amerikaner stehen, die Rechte russischer Staatsbürger verletzt hätten. Wer auf diesen Listen steht, darf nicht in das jeweils andere Land reisen, die Auslandsvermögen werden eingefroren.
Mal ganz abgesehen davon, wie man den Fall Magnizkij bewertet: Wer hat wohl den größeren Schaden von solchen „Wie-Du-Mir-So-Ich-Dir"-Spielchen? Die Russen, die nicht mehr in die USA dürfen, oder die Amerikaner, denen nun der Weg nach Russland versperrt ist?
Im Einzelfall dürfte das schwer zu prüfen sein, aber aufs Ganze gesehen gibt es sicher mehr Russen (vor allem reiche), die Interessen in den Vereinigten Staaten haben, als umgekehrt. US-Millionäre, die ihr Vermögen
Fall Magnitskij: USA verhängen Sanktionen gegen russische Beamte
Russland setzt Menschenrechtsverletzer aus den USA auf Schwarze Liste
ausgerechnet in Russland in Sicherheit bringen wollen, dürften eher eine Seltenheit sein. Selbst wenn die Moskauer Liste sich speziell auf solche Personen konzentriert, die tatsächlich nach Russland reisen, die USA haben im Spiel mit den Sanktionen den längeren Atem.Es gibt nur wenige Staaten auf der Welt, die die Vorgaben aus den USA gefahrlos ignorieren können. Entweder, weil sie kaum Kontakte mit den USA haben, so wie Nordkorea, oder weil sie selbst groß und mächtig sind, so wie China. Alle anderen hängen zu sehr von Amerika ab, um sich mit der Supermacht anzulegen. Darum ziehen westliche Nationen häufig nach, wenn in den USA ein neues Gesetz erlassen wird, das die Wirtschaft betrifft. Zwar müssten sie das eigentlich nicht, aber wenn amerikanische Kunden keine Geschäfte mehr machen mit Unternehmen, die diese oder jene Kriterien nicht erfüllen, dann überlegt man sich gut, ob man stur bleibt.
Das gilt selbst für Russland, obwohl der Außenhandel hierbei keine große Rolle spielt. Russland liefert zwar seine wichtigen Exportgüter Waffen und Energie nicht in die USA, dafür aber das allerwichtigste: das Fluchtkapital seiner Eliten. Deshalb werden russische Firmen nicht unbedingt Vorstands-Quoten für sexuelle Minderheiten einführen müssen, falls man in den USA zu dem Schluss kommt, dies sei unabdinglich und sofort überall umzusetzen. Hier ist man in Moskau weniger weisungsgebunden als in den westlichen Hauptstädten. Aber Uncle Sam so richtig den Stinkefinger zeigen, das kann man sich auch hier nicht leisten.
Die USA hingegen sind derzeit noch weitgehend immun gegen Druck von außen. Der Deutsch-Libanese Khaled el-Masri hat zwar einen Erfolg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erkämpft. Das Gericht sprach dem Mann, der 2003 als mutmaßlicher Terrorist in Skopje verhaftet und an den US-Geheimdienst überstellt worden war, ein Schmerzensgeld von 60.000 Euro zu. Zahlen muss allerdings nicht die Regierung der USA, sondern das kleine Mazedonien. Wegen der menschenunwürdiger Behandlung in der Zeit, als der Verdächtigte im Land auf seinen Abtransport ins Folterlager der CIA wartete.
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