Russischer Blogger und Oppositionspolitiker Alexey Nawalny war unter der Teilnehmer der Oppositionskundgevbung "Marsch der Freiheit", die am 15. Dezember in Moskau stattfand. Foto: Ruslan Suchuschin.
Am Sonntag traf sich der Koordinationsrat der außerparlamentarischen Opposition zu einer Sitzung, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Das Treffen stand unter dem Eindruck der Aktion vom Vortag: Obwohl die Moskauer Stadtverwaltung den Putin-Gegnern partout keine Genehmigung für eine Kundgebung am Lubjanka-Platz erteilen wollte, hatten sich dort viele Menschen eingefunden – und es blieb weitgehend friedlich.
Demo-Verbot schreckte Protestierer nicht ab
Die Angaben über die Teilnehmerzahl schwankten wie üblich je nach Quelle beträchtlich: Die mit sehr starken Einheiten aufgefahrene Polizei sprach von 700 (wobei davon 300 Journalisten gewesen sein sollen), die Veranstalter schätzten 1.500 bis 3.000 Personen.
Da eine politische Kundgebung nicht genehmigt worden war, hatten die Organisatoren die Protestwilligen dazu aufgerufen, zum ursprünglich geplanten Zeitpunkt dort einen Spaziergang zu machen und dabei Blumen am „Solowezki-Stein" niederzulegen. Dabei handelt es sich um ein Denkmal für die Opfer der Repressionen der Stalin-Zeit.
Alexej Nawalny, einer der Chefkoordinatoren der Protestbewegung, war mit der Resonanz zufrieden: Trotz Frost und fehlender Demo-Genehmigung seien viele Menschen gekommen, obwohl ihnen Festnahmen und Strafen und in jedem Fall eisiges Wetter drohten.
Richtiger Umgang mit demo-müden Bürgern gesucht
Boris Nemzow, Co-Vorsitzender der Partei RPR-Parnas, war hingegen mit der Beteiligung nicht zufrieden. Man müsse dafür Sorge tragen, dass
Oppositions-Demos wirklich Massenveranstaltungen seien, sagte er. Mehr oder weniger einig waren sich die führenden Putin-Gegner deshalb darin, vorerst eine Auszeit zu nehmen, um ihre Protest-Strategie zu überdenken und zukünftige Demos besser zu planen. Den nächsten großen Protest-Marsch möchte man erst im Frühjahr ansetzen. Bis dahin soll es jedoch weiterhin kleinere Demos mit einigen tausend Beteiligten geben, wobei diese sich konkreten Problemen widmen sollen – etwa sozialen Fragen oder politischen Gefangenen.
Die Oppositionäre reagieren auf diese Weise auf eine auch von Soziologen festgestellte Demonstrations-Müdigkeit bei der dem Staat gegenüber kritisch eingestellten Bevölkerung. Viele Menschen sind enttäuscht, dass die Massendemonstrationen des letzten Winters im Prinzip nichts bewirkt haben. „Das ist kein Sprint, das ist ein Marathon", so das Koorinationsrats-Mitglied Ilja Jaschin.
Festnahmen ohne Folgen
Am Samstag waren während der Demonstrationen auf und um die Lubjanka etwa 40 Personen vorübergehend festgenommen worden. Darunter waren auch die führenden Oppositions-Köpfe Nawalny, Jaschin, Xenia Sobtschak und Sergej Udalzow. Die Polizei hatte ihnen allerdings nichts vorzuwerfen: Nachdem sie in Polizeiautos quer durch Moskau auf Polizeireviere kutschiert worden waren, ließ man sie ohne weitere Beschuldigungen wieder laufen.
Nawalny soll Kosmetikfirma Rocher abgezockt haben
Gegen Nawalny wurde unterdessen ein zweites Ermittlungsverfahren eingeleitet – wegen einer angeblichen Wirtschaftsstraftat: Zusammen mit seinem Bruder, einem Top-Manager bei der russischen Post, soll er eine Firma gegründet haben, die nach Darstellung der Ermittler das russische Tochterunternehmen des Kosmetik-Konzerns Yves Rocher übers Ohr gehauen haben soll.
Das Nawalny-Unternehmen habe von 2008 bis 2011 für Ives Rocher Korrespondenz und Güter zwischen Jaroslawl und Moskau befördert und dafür 55 Mio. Rubel kassiert. Dank des Einsatzes von Subunternehmen seien aber nur Leistungen in Höhe von 31 Mio. Rubel erbracht worden.
Nawalny wurde heute zum Verhör einbestellt, wo man ihm offiziell mitteilte, dass ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft. Der Gegenstand der Vorwürfe sei „absurd", so Nawalny hinterher – auch dem zuständigen Ermittler sei es „peinlich" gewesen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russland Aktuell.
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