Die Männer in Russland

Eine Garage ist der beliebteste Fluchtpunkt für die Ehemänner. Foto: Alamy/Legion Media

Eine Garage ist der beliebteste Fluchtpunkt für die Ehemänner. Foto: Alamy/Legion Media

Russische Männer sind großzügiger als ihre deutschen Geschlechtsgenossen, meint unsere Kolumnistin Adele Sauer.

Zu schreiben, die russischen Männer wäre nicht gerecht, denn es gibt hier ja bei weitem nicht nur Russen, es herrscht ein wohltuendes Vielvölkergemisch. Die Männer sind hier aber alle, egal, zu welchem Volke sie gehören, sehr interessant und eigenwillig. Natürlich können sie mit dem Ruhm der Frauen des Landes nicht mithalten, ihnen werden ja weltweit Oden gesungen. Ob völlig zu Recht sei dahin gestellt.

Es gibt prozentual gesehen aber zu wenige davon, von den Männern meine ich. Im Lande werden mehr Mädchen als Jungen geboren, dann sterben die männlichen Babys eher (da zeigt sich schon in frühester Kindheit, wer zäher und kräftiger ist), gefährliche Spiele und der Armeedienst dezimieren den Bestand weiter. In der Armee herrschen raue Sitten, die älteren Soldaten schurigeln die Neuen, tödlicher Ausgang ist da keine Seltenheit. Dazu kommen noch Einsätze an Brennpunkten, die auch nicht ohne Abgänge über die Bühne gehen. Und im Alter verlassen sie unsere Welt im Durchschnitt um einige Jahre eher als die Frauen, sicher weil sie besonders in der Provinz allen möglichen Fusel in sich hinein schütten und das billigste Zeug rauchen.

So stark dezimiert treten sie der weiblichen Übermacht entgegen. Es gibt ungefähr zehneinhalb Millionen mehr Frauen als Männer. Ein Fest für passionierte Jäger. Viele Frauen bleiben unbemannt oder müssen mit den Brosamen, die einer heimlichen Geliebten zufallen, Vorlieb nehmen.

In den letzten zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren entschärften die Frauen die Situation ein wenig, indem sie ausländische Männer in großer Zahl ehelichten. Auch die vielen Expats, die nach Russland kommen, um hier zu arbeiten, ziehen die Frauen magisch an. Sie sind pflegeleicht, selbständig und frönen nicht so sehr dem weißen russischen Landwein, sprich Wodka. Und außerdem verdienen sie ganz gut.

So viel Auswahl verdirbt den Charakter. Die Männer müssen sich keine große Mühe geben, können bei der Morgentoilette schludern, müssen sich die Schuhe nicht putzen, denn sie haben ja Seltenheitswert. Und dann sind sie auch noch ausgemachte Machos. Bleibt die Hoffnung auf die Nachwachsenden, dass sie es anders machen werden.

Die Ehen im mittleren Lebensalter sind besonders vom Männermangel geprägt. Die Ehefrauen sind durch die Bank hochgradig eifersüchtig, wittern überall Verrat. Das prägt ihre Gesichter. Sie staffieren ihren Ehegespons nicht heraus, damit er nicht so ins Auge fällt. Kommt ein Zahn abhanden, bleibt die Lücke, das mindert den Marktwert, meinen die Frauen. Dass sie andauernd mit einer solchen Vogelscheuche herumlaufen, tut nichts zur Sache. Hauptsache bemannt. Das ist die in der Masse verbreitete Theorie.

Frauen sind ja pfiffig, deshalb haben sie auch im Laufe der Jahre eine recht sichere Methode entwickelt, die Herren am heimischen Herd zu halten. Sie übernehmen den organisatorischen Part vollständig, entbinden den Herrn der Schöpfung von jeglicher Hausarbeit und machen ihn so abhängig und unselbständig. Auf diese Rolle werden die Männer schon von ihren Müttern gut vorbereitet. So setzt die Ehefrau nur das Werk der Mutter fort.

Ein beliebter Fluchtpunkt für die Ehemänner ist die Garage. Dort treffen sie sich dann nach der Arbeit oder an den Wochenenden, schwadronieren übers Leben und trinken in aller Ruhe ihren Wodka. Auf der Kühlerhaube wird der dazu nötige Zubiss auf einer Zeitung ausgebreitet. Das ist wahres Männerglück! Das kann auch die anschließende Standpauke zu Hause nicht trüben. Das Garagensterben, an ihre Stelle rücken mehrgeschossige Parkhäuser, bereitet diesem schönen Garagenleben ein grausames Ende.

Russische Männer sind großzügig, großzügiger als ihre deutschen Geschlechtsgenossen zum Beispiel. Sind sie großzügig, weil sie ein schlechtes Gewissen haben oder tun sie es einfach so? Fakt ist, dass die Frauen in Russland viele Geschenke und Blumen erhalten. Vielleicht wollen die Männer damit auch ihre Rolle als Ernährer unterstreichen. Viele sehen es übrigens gerne, wenn ihre Frau nicht arbeiten gehen muss. Darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein, denn ein Hausfrauendasein wird nicht von allen favorisiert. Hat aber einen Vorteil, sie kommt Arbeitskollegen nicht zu nahe. Denn trotz Frauenüberschuss sind hier auch die Männer sehr eifersüchtig. Hier wird ja die gängige Meinung vertreten, dass Eifersucht ein Zeichen von Liebe sei. Dieses Besitz ergreifende Miteinander ist ganz schön anstrengend.

Wie geht aber Eifersucht und getrennt Urlaub machen zusammen? Zu Sowjetzeiten war das noch stärker ausgeprägt, jetzt fährt man schon häufiger zusammen in die Ferien. Deshalb heißt ja auch die Saison am Schwarzen Meer Buschsaison, weil da fröhlich Urlaub von der Ehe gemacht wird. Tja, hier ticken eben die Uhren und die Menschen anders. Das ist aufregend und interessant.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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