„Mafia“: Das berühmte Gesellschaftsspiel soll zum gewinnbringenden Geschäft werden

Das Gesellschaftsspiel „Mafia" ist eine unterhaltsame Gelegenheit, verschiedene Menschen kennen zu lernen. Foto: ITAR-TASS

Das Gesellschaftsspiel „Mafia" ist eine unterhaltsame Gelegenheit, verschiedene Menschen kennen zu lernen. Foto: ITAR-TASS

„Mafia“, ein intellektuelles, kartenbasiertes Gesellschaftsspiel, das vor 26 Jahren von einem Psychologiestudenten erfunden wurde, erfreut sich in Russland großer Beliebtheit. Psychologen, Unternehmen und Verbände sehen darin ein vielseitiges und gewinnbringendes Geschäft.

Die Vorgänger des Gesellschaftsspiels „Mafia" sind „Mord im Dunkeln" und „Cluedo" – Spiele, die in Europa seit den Fünfziger Jahren beliebt sind. Eine moderne, Team‑basierte Version dieser Spiele hat sich 1986 der Psychologiestudent Dmitrij Dawydow ausgedacht.

„Mafia" fand zunächst in den Universitäten der Sowjetunion sehr großen Anklang; begeisterte Auslandsstudenten nahmen das Spiel mit in ihre Heimatländer und so wurde es innerhalb weniger Jahre ein weltweiter Erfolg. Seit dessen Erfindung sind viele Variationen des Spiels entstanden.

Die populärste Version von „Mafia" wird wie folgt gespielt: Der Spielleiter verteilt die Karten an die acht bis 16 Mitspieler. Zwei oder drei von ihnen übernehmen die Rolle von Mafiosi, einer wird zum Kommissar ernannt und die restlichen Spieler stellen normale Bürger dar. Dann verkündet der Spielleiter, dass die Nacht hereingebrochen ist und sich alle schlafen gelegt haben.

Die Mafiosi wachen auf, machen sich mit den anderen „bösen Buben" bekannt und „ermorden" dann einen der Bürger. In der Nacht entscheiden der Kommissar und der Spielleiter darüber, welcher der Spieler Mitglied bei der Mafiagang ist. Der „Morgen" bricht an, die Spieler „wachen auf" und erörtern, wer der Mörder sein könnte. Nach einer Abstimmung wird der Spieler mit der am wenigsten überzeugenden Geschichte ins Gefängnis gesperrt.

So geht es noch mehrere „Tage" und „Nächte" weiter, bis die Mafiamitglieder in der Mehrheit sind oder aber alle bösen Jungs im Gefängnis sitzen. Jedes Spiel dauert in etwa eine halbe Stunde.

Die meisten Menschen sehen das Spiel als Möglichkeit, einen angenehmen Abend mit Freunden zu verbringen. Nun jedoch haben geschäftstüchtige Unternehmer das Spiel für sich entdeckt und hoffen, mit ihm Gewinne erwirtschaften zu können. Tatsächlich gibt es hierfür mehrere Ansatzpunkte: Mafia wird von Kindern, in Zirkeln und auch in Unternehmen gespielt. In letzteren wird es vor allem zur Teambildung und zur psychologischen Schulung verwendet.

Die Psychologin Lika Mikeladse ist davon überzeugt, dass das Spiel von Personalabteilungen verwendet werden kann, um zu prüfen, wie die Mitarbeiter in einem Geschäftsumfeld reagieren; es kann auch dazu dienen, einen potenziellen Lebenspartner vorab auf Herz und Nieren zu überprüfen. Laut Mikeladse organisieren große Unternehmen Mafia-Spiele häufig in einer ungezwungenen Atmosphäre, wenn alle Teilnehmer entspannt sind und aus purem Spaß spielen.

„Aber bei näherer Betrachtung können Sie sehr viele interessante Dinge über die Spieler herausfinden: Sie können nonverbale Signale registrieren, die jemand während einer geschäftlichen Verhandlung sendet; das heißt, Sie können erkennen, wenn jemand lügt oder nicht, was er zu verbergen versucht und wie er das anstellt", sagt Mikeladse.

Personalmanager finden auch viel über einen Bewerber heraus, indem sie diesen dabei beobachten, wie er sich während des Spiels verhält – verfügt er über Führungsqualitäten und die Fähigkeit, eine Lösung in schwierigen Situationen zu finden?

Mikeladse glaubt, dass einige Varianten des Spiels Kindern mit schulischen Problemen und solchen, die das Lernen übermäßig belastet oder die Schwierigkeiten in der Kommunikation mit anderen Kindern haben, helfen könnten.

„Psychologen haben es häufig mit Kindern zu tun, die sich nicht konzentrieren können. Auch hierbei kann „Mafia" helfen, das Problem zu lösen. Während des Spiels lernt das Kind, wie man sich auf bestimmte Ziele konzentriert: Um zu gewinnen, muss man entweder vermeiden verhaftet zu werden oder aber herausfinden, wer zur Mafia gehört. Während sie dieses Spiel spielen und sich auf diese Aufgabe konzentrieren, vergessen die Kinder für eine Weile ihre etwas chaotische und destruktive Gemütsverfassung und lernen, wie man mit anderen Menschen umgeht", sagt die Psychologin.

Auch für Ausländer, die nach Russland kommen, um hier zu arbeiten, ist das Spiel von Nutzen. Manchmal finden sie sich nur schwer in der russischen Gesellschaft zurecht und um sich leichter zu integrieren, bietet „Mafia" eine unterhaltsame Gelegenheit, gleich 50 bis 60 Menschen in nur einer Nacht zu treffen und mit ihnen zu spielen.

Veranstalter von Trainings und Firmenevents, die „Mafia" nutzen, gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Eine der bekanntesten Firmen auf diesem Markt ist Mafliga. Ihr Gründer, Kamil Magomedow, sieht in „Mafia" eine gute Möglichkeit, Leute aus derselben sozialen Gruppe kennen zu lernen.

Magomedow erklärt, dass „Mafia" eine elitäre Freizeitbeschäftigung sei - nicht was die Kosten betrifft, sondern hinsichtlich der Personen, die es gern spielen. In der Regel zieht „Mafia" Menschen an, die über 25 Jahre alt sind, keine Lust auf wilde Partynächte haben und stattdessen nach einer intellektuellen Herausforderung suchen.

Laut Magomedow entwickelt sich das Geschäft erst noch und es sei bislang zu früh, einen nennenswerten Gewinn erwarten zu können. Momentan fließen die gesamten Einnahmen aus den Spielen in die Vergütung der Spielleiter, die Administratoren und Psychologen. Ein etwas abgewandeltes Format, wie zum Beispiel Massenspiele und Turniere, wäre finanziell wohl zukunftsträchtiger.

In Russland und seinen Nachbarstaaten ist „Mafia" auf dem Weg nach oben – die Russische Föderation für intellektuelle Spiele (FIIM) hat sich für „Mafia" ehrgeizige Ziele gesetzt und will es als einen offiziellen Sport anerkennen lassen. Ilja Rogatschow, Vorsitzender der FIIM, denkt, dass „Mafia" innerhalb der nächsten Jahre nationale Bedeutung erlangen wird.

„Unsere Mission ist ganz simpel: Erziehung. ‚Mafia‛ ist ein Spiel, das eine persönliche Entwicklung ermöglicht, und es schafft ein großartiges Umfeld, um mit anderen Menschen zu interagieren. Wir stellen einzigartiges Know-how öffentlich zur Verfügung", sagt Rogatschow. „Möglicherweise haben wir das ganze Potenzial dieses Geschäfts und die Bedeutung seiner sozialen Funktion noch gar nicht zur Gänze entdeckt. Aber das Potenzial, so wie wir es sehen, ist riesig."

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