Wettlauf um die Arktis

Der Eisbrecher "50 Jahre des Sieges" fährt durch den Arktischen Ozean Foto: Pressebild

Der Eisbrecher "50 Jahre des Sieges" fährt durch den Arktischen Ozean Foto: Pressebild

Das Schmelzen des Polareises in der Arktis eröffnet einen neuen globalen Wettstreit um wirtschaftliche Einflusssphären. Es geht vor allem um Öl, Gas und lukrative Seewege.

Das zunehmende Schmelzen des Polareises in der Arktis eröffnet neue Möglichkeiten der wirtschaftlichen Erschließung. Den Akteuren in der Region ist das Potential nicht entgangen. Im Zeitraum 2006 bis 2009 einigten sich die fünf unmittelbaren Arktis-Anrainer Kanada, Dänemark, Norwegen, Russland und die Vereinigten Staaten auf nationale Entwicklungsstrategien für den arktischen Raum. Schweden, Finnland und Island, die Länder, deren Staatsgebiete teilweise innerhalb des nördlichen Polarkreises liegen, folgten dem Beispiel bald.

Heute sind selbst weit von der Arktis entfernte Länder wie China oder Indien zunehmend in dieser Region aktiv. Im Dezember 2012 legte der Russische Rat für Internationale Angelegenheiten (RIAC) Vorschläge zu einer internationalen Roadmap bezüglich einer Kooperation in der Arktis vor.

Es gibt viele Gründe für eine weitere wirtschaftliche Erschließung der Region. Der bedeutendste sei der weltweite Energiehunger, analysiert

Andrej Sagorskij, Leiter des Arktisprojekts beim RIAC. „Die gewaltigen Rohstoffvorkommen sind wohl der wichtigste Grund des wirtschaftlichen Engagements in der Arktis. Hohe Energiepreise und die technische Entwicklung haben die Förderung von Schelf-Öl und Gasbohrungen hier zu potenziell gewinnbringenden Geschäften gemacht", urteilt der Experte.

Nach aktuellen Studien befinden sich 58 Prozent der unter den Weltmeeren lagernden Kohlenwasserstoffe in der Arktis. Allein deshalb hat die Region globale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Mächtige Akteure der Öl- und Gasindustrie wie Shell, Statoil, Total, Gazprom, Rosneft and BP haben bereits ambitionierte Pläne für die Arktisregion in der Tasche.

Zudem hat das Schmelzen des arktischen Eises auch neue Routen für die Frachtschifffahrt durch die Arktis zwischen dem Atlantik und dem Pazifik freigelegt. Die Nordostpassage führt entlang der Nordküste Russlands und stellt bis heute den kürzesten Seeweg zwischen Asien und Europa dar. Die Nordwestpassage verläuft entlang der Nordküste Nordamerikas und wird vom russischen Konzern Gazprom für den Export von Flüssigerdgas nach Japan genutzt.

Der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers zufolge könnte über diesen Seeweg bis zu einem Prozent des 800 Milliarden Euro schweren Handels zwischen der EU und Asien abgewickelt werden.

 

Konflikte sind vorprogrammiert

Die neue Zugänglichkeit zu den Ressourcen der Arktis hat die vorübergehend ausgesetzte Diskussion um die Frage, wem die Arktis gehört, wieder aufleben lassen. Der Genfer Konvention über den Festlandsockel von 1958 und dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1982 zufolge haben die Küstenstaaten das Recht auf zwölf Seemeilen umfassende Hoheitsgewässer und auf eine sogenannte ausschließliche Wirtschaftszone von 200 Seemeilen.

Innerhalb dieser Zone genießt ein Küstenstaat souveräne Rechte auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Küstenstaaten können aber auch exklusive Rechte auf die im Meeresboden lagernden Rohstoffe in einer erweiterten Zone von 350 Seemeilen beantragen. Sie müssen jedoch in diesem Fall nachweisen, dass der fragliche Meeresboden eine Verlängerung des Festlandsockels darstellt. Russland und Norwegen haben eine Erweiterung ihres Festlandsockels in der Arktis bereits beantragt. Nun bereiten auch Kanada und Dänemark entsprechende Schritte vor.

Obwohl die meisten natürlichen Ressourcen unstrittig innerhalb der jeweiligen ausschließlichen Wirtschaftszonen und auf Festlandsockeln lagern, sind manche Rohstoffvorkommen auch in der offenen See zu vermuten und damit anderen Ländern zugänglich. Weitere potenzielle Konflikte ergeben sich aus der Diskussion um die rechtliche Hoheit über die Seewege. Russland und Kanada erheben den Anspruch, dass ihre Nordostpassagen historische Seewege seien, die unter nationaler Kontrolle verbleiben und somit nicht dem internationalen Recht unterstellt werden dürften. Nationale Kontrollen könnten die Nutzung dieser Seewege durch andere Staaten nicht unterbinden, doch müssten diese über entsprechende Genehmigungen verfügen.

Die ungeklärten territorialen und rechtlichen Fragen in der Arktis ermuntern manche Länder dazu, in der Region aktiv zu werden. Unterdessen bemühen sich die Arktis-Anrainer nach ihrer Einigung auf Entwicklungsstrategien im arktischen Raum mit weiteren gesetzlichen, symbolischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Regelungen um ein Zementieren des Status quo.

So hissten im Jahr 2007 Besatzungsmitglieder russischer U-Boote unter dem Nordpol die russische Flagge. Kanada, Norwegen und Russland kündigten an, ihre Streitkräfte in der Arktis zu modernisieren. Auch Dänemark arbeitet an der Einrichtung eines eigenen arktischen Kommandos. Der Nutzen dieser Initiativen ist nach Einschätzung Sagorskijs jedoch begrenzt. Ein Wettbewerb in diesem Bereich mache für ihn keinen Sinn. Von einer konstruktiven Zusammenarbeit würden alle Staaten viel mehr profitieren. Die rauen arktischen Bedingungen erforderten ein kooperatives Vorgehen.

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