Smolny-Institut: Wie lebten die Schülerinnen der ersten Bildungsanstalt für Frauen in Europa?

Bildung
SOFIA POLJAKOWA
Die Nachkommen der angesehensten Familien von St. Petersburg lebten hier buchstäblich spartanisch. Das Institut vermittelte nicht nur eine hervorragende Schulbildung, sondern förderte auch einen unbeugsamen Charakter.

Katharina II., die von der Idee beseelt war, den aufgeklärten Absolutismus in der gesamten Gesellschaft zu verankern, verfolgte auch im Bereich der Frauenbildung ehrgeizige Ziele. Das von der Zarin Ende des 18. Jahrhunderts gegründete Smolny-Institut für adlige Mädchen war die erste staatliche Bildungseinrichtung für Mädchen in Europa.

Die Methoden des Instituts unterschieden sich grundlegend von den Vorstellungen der meisten Adligen der damaligen Zeit, was die Zukunft ihrer Nachfahren betraf. Nach dem Selbstverständnis des Smolny-Instituts bestand sein Auftrag nicht zuletzt darin, überholte gesellschaftliche Einstellungen „umzustürzen“. Obwohl die Mädchen auf die Ehe vorbereitet wurden (bei den meisten Absolventinnen übrigens mit großem Erfolg), sollte der Unterricht am Institut Frauen für eine neue Zeit ausbilden, die ihr künftiges Umfeld formen und verfeinern und in demselben aufgeklärten Geist ihre Kinder erziehen würden.

Klösterliches Leben

Das Smolny-Institut als Bildungsanstalt für Mädchen existierte von 1764 bis 1917, seine innere Ordnung und seine Umgangsformen blieben dabei weitgehend die gleichen. Ab 1765 wurden auch nichtadlige Bewerberinnen (mit Ausnahme von Leibeigenen) zugelassen. Die Schülerinnen wurden in vier Altersgruppen eingeteilt (wobei die Mädchen insgesamt eine Altersspanne von 6 bis 18 Jahren abdeckten). Die Kleiderordnung sah eine bestimmte Farbe für jede Gruppe vor: die Jüngsten trugen kaffeebraune Kleider, die Mädchen der folgenden Altersgruppe blaue, die Zweitältesten graue und die Ältesten weiße Kleider.

Um die Mädchen zu lehren, leicht und anmutig zu gehen, ließ man sie im Institut schwere und dicke Schuhe tragen. Danach fiel ihnen ein schöner Gang leichter. Schmuck durfte nicht getragen werden, auch die Frisuren waren für jedes Alter gleich - das Erscheinungsbild der Schülerinnen war asketisch, bescheiden und ordentlich.

Auch ihr Speiseplan war alles andere als üppig. Morgens tranken die Schülerinnen eine Tasse Tee und aßen ein Brötchen mit Butter und Käse, gelegentlich erwähnten die Schülerinnen in ihren Aufzeichnungen Brei. Zum Mittagessen gab es Suppe und eine Pirogge, zum Abendessen erneut ein Brötchen, Tee oder Milch. Während der obligatorischen Fastenzeit, waren die Mahlzeiten natürlich noch spärlicher.

Alexandra Sokolowa, eine Smolny-Schülerin in den 1840er Jahren, erwähnt in ihren Tagebüchern die Mahlzeiten im Institut anlässlich folgender Begebenheit: „...Niemand erwartete den Zaren (Nikolaus I.) an jenem Tag; als sich plötzlich in ganz Smolny die Nachricht verbreitete, dass er gekommen sei und das Institut durch die innere oder, besser gesagt, „Hintertür“ betreten hatte, und zwar nicht durch irgendeine, sondern durch der Küchentüre, reagierten einige mit Ratlosigkeit, andere verängstigt...

Später sprach sich herum, dass der Zar den Kochtopf, in dem die Fischsuppe, oder genauer gesagt, eine Ucha, gekocht wurde, angesteuert und mit einem Löffel von dem eher dünnen Gebräu gekostet hatte und gesagt haben soll: „Sogar an einem so billigen Fisch wird noch gespart... Nun, was gibt es als zweiten Gang? Tja... Meine Soldaten werden besser ernährt!“

Diese Strenge war ein pädagogisches Konzept. Die Gewohnheit, sich mit wenig zu begnügen, sollte den Geist abhärten und tatkräftige, nicht zu Schmermut und Trägheit neigende Charaktere ausbilden, selbst wenn den jungen Frauen ein Leben in Luxus beschieden sein sollte. Die bescheidene Verpflegung mochte auch darauf zurückzuführen gewesen sein, dass die gesamte Einrichtung auf Staatskosten unterhalten wurde (die Familien der Mädchen zahlten weder für ihre Kleidung noch für ihr Essen).

Angehörige durften Pakete mit Geld und Süßigkeiten für die Mädchen mitnehmen. Die Leckereien wurden üblicherweise mit den weniger wohlhabenden Freundinnen geteilt. Mit dem Geld konnten über die Aufseherinnen weitere Backwaren und Brot gekauft werden (die Schätze wurden im Schlafsaal sicher vor den Aufseherinnen versteckt gehalten).

Gleichbehandlung am Institut

Die „bürgerliche“ Hälfte von Smolny (Alexandrowskaja) beherbergte und unterrichtete Mädchen von niederer Geburt: Töchter von Beamten nicht adliger Herkunft, von Kaufleuten und Bankiers.

Die Bewohnerinnen der adligen Hälfte (Nikolajewskaja) hatten gewisse Sonderrechte. Zweimal im Jahr fuhren sie in Hofkutschen mit einer feierlichen Eskorte von Offizieren, legten in Anwesenheit von Vertretern der Zarenfamilie Prüfungen von kaiserlichem Rang ab und besuchten Bälle, auf denen sie mit Großherzögen und ausländischen Prinzen tanzten. Wenn ein bürgerliches Mädchen einer Adeligen im Institut begegnete, hatte sie als erste einen Knicks zu machen, der dann erwidert wurde.

In anderer Hinsicht waren die Lebensbedingungen der Schülerinnen der beiden Hälften jedoch ähnlich. Die Mädchen waren in Schlafsälen untergebracht, die eher Kasernencharakter hatten. Etwa zehn Mädchen lebten in einem Saal, in dem einer Schülerin nur ein Bett mit einer harten Matratze, ein kleiner Nachttisch und ein Stuhl zur Verfügung standen. Im Winter war das Leben in den Schlafsälen besonders hart: Die Temperaturen fielen auf bis zu 10 Grad Celsius, und die Mädchen mussten unter dünnen Bettdecken schlafen und sich frühmorgens mit eiskaltem Wasser waschen. Viele, vor allem die Neuankömmlinge, wurden unter den ungewohnten Umständen krank. Ein solch unglücklicher Fall eröffnete den Bewohnerinnen jedoch auch gewisse Vorteile: Im Krankenzimmer war es warm, sie konnten schlafen und wurden wenigstens etwas besser ernährt, so dass besonders erfindungsreiche junge Damen sogar eine Krankheit vortäuschten.

Wo die Liebe hinfiel

Ärzte und Lehrer waren die einzigen Männer, die die Mädchen in den 12 Jahren ihrer Internatszeit regelmäßig sahen. Wenn sie im Alter von sechs Jahren im Institut aufgenommen wurden, sollten sie es bis zu ihrem Abschluss nicht mehr verlassen. Urlaub war nicht vorgesehen (im Laufe der Zeit wurde die Dauer des Schulbesuchs am Institut mehrmals verkürzt). Die Lehrer wurden absichtlich so ausgewählt, dass sie verheiratet, bereits in die Jahre gekommen und vorzugsweise körperlich auf irgendeine Weise missgestaltet waren, um die Mädchen nicht in Verlegenheit zu bringen. Dies half jedoch nicht, und diese einzigen anwesenden Männer wurden weiterhin angebetet. Die Mädchen schnitten Stücke von ihren Pelzmänteln ab, um sie mit sich herumzutragen, übergossen ihre Hüte mit ihrem Parfüm und ließen sich viele andere unbeholfene Annäherungsversuche einfallen.

Es war auch üblich, eine der älteren Studentinnen zu bewundern. Jede Schülerin wählte ihr eigenes Idol und zeigte ihre Zuneigung auf eine Art und Weise, die heute etwas seltsam erscheinen mag. So kam es vor, dass die Mädchen ein Stück Seife aßen oder etwas noch Absonderlicheres taten. Glücklicherweise beschränkte sich die Anbetung oft auf kleine Ehrerbietungen und Lob. „‘Anbeten' bedeutet, dass man versucht, die verehrte Person zu sehen, in der Regel ein Mädchen der Oberschicht, und wenn sie vorbeikommt, ihr ange, beauté, incomparable, céleste, divine et adorable nachzurufen, natürlich nicht in Anwesenheit der Klassenlehrerin, und dann den Namen der Angebeteten mit Ausrufezeichen und unter Hinzufügung der gleichen Worte in Bücher und Hefte zu schreiben“, erinnert sich Maria Uglitschaninowa, eine Schülerin von Smolny in den 1840er Jahren.

Die Mädchen sahen ihre Eltern nur im Beisein der Klassenlehrerinnen, und ihre Korrespondenz wurde verlesen. Smolny lag an einem abgeschiedenen Ort, aus dem eine Flucht fast unmöglich war. Körperliche Bestrafung war jedoch streng verboten. Ein Mädchen, das die gegen die Regeln verstoßen hatten, wurden öffentlich bloßgestellt: Mitschülerinnen hefteten ihr ein geheimes Zettelchen, das sie im Klassenraum weiterreichen wollte, ans Kleid; man nahm ihr die Schürze ab, das Mittagessen wurde ihr vorenthalten, und älteren Mädchen wurde verboten, Kleidung und Frisur der Erwachsenen zu tragen.

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