Warum haben die Russen Schuhe, Werkzeuge und Waffen nach ausländischen Frauen benannt? (TEIL 1)

Die metaphernreiche russische Sprache wird den Ausländer durch die Tatsache überraschen, dass einige Dinge und Phänomene wörtlich durch die Begriffe für Bürgerinnen anderer Völker benannt werden. Das ist alles eine Frage der sprachlichen Tradition.

Die vollständige Übereinstimmung von Wörtern, die einen Vertreter einer Nationalität und ein Phänomen (oder einen Gegenstand) bezeichnen, wird als Homonymie bezeichnet. In unserem Fall entsteht die Homonymie durch das Suffix -ka. Standardmäßig steht es für das weibliche Geschlecht (als grammatikalische Kategorie), aber es erfüllt gleich mehrere Funktionen.

Zum Einen wird es zur Bildung des Feminitivum verwendet, d. h. von femininen Substantiven, die eine Person bezeichnen und von den entsprechenden maskulinen Substantiven abgeleitet sind, z.B. студент (dt.: Student) — студентка (dt.: Studentin). Zweitens bildet es Diminutive, d.h. Verkleinerungsformen: тетрадь (dt.: Heft) — тетрадка (dt.: Heftchen). Zum Dritten wird der Suffix bei substantivierten Verben verwendet стричь (dt.: schneiden) – стрижка (dt.: Haarschnitt). Schließlich ist es notwendig, Substantive aus Wortkombinationen zu bilden, da sich das Russische durch eine Tendenz zur Einsparung von Sprachmitteln auszeichnet: Ленинская библиотека (dt.: Lenin-Bibliothek) – Ленинка (Leninka).

Welche unerwarteten Bedeutungen haben die Wörter für ausländische Frauen bekommen?

1. Американка (amerikanka, dt.: Amerikanerin)

Dieses Wort steht für Billard. Einige Amateurspieler nennen so das amerikanische Pool-Billard, aber häufiger wird so eine der Disziplinen der Pyramide, einer Billard-Variante, die außerhalb Russlands Russisches Billard genannt wird, bezeichnet.

2. Афганка (afganka, dt.: Afghanin)

Russische Soldaten meinen mit diesem Wort vor allem ihre Felduniform. Die aktuelle Variante wird seit Ende der 1970er Jahre gefertigt, die Auslieferung an die Einheiten erfolgte jedoch erst 1984, zunächst für das Kontingent, das im Krieg in Afghanistan eingesetzt wurde. Die Ausstattung bestand aus Jacke, Hose und Kopfbedeckung und umfasste sowohl Sommer- als auch Wintervarianten. Ursprünglich war die afganka khaki, später wurden verschiedene Farben für unterschiedliche Truppentypen verwendet.

3. Болгарка (bolgarka, dt.: Bulgarin)

In Russland und in der ehemaligen Sowjetunion ist dies die Bezeichnung für einen Winkelschleifer, der in Deutschland umgangssprachlich Flex genannt wird. Der Ursprung dieser eigenwilligen Bezeichnung liegt darin, dass erstmals in der UdSSR Winkelschleifer in den 1970er Jahren auftauchten, und zwar die Marke Eltos, die in der bulgarischen Stadt Lowetsch hergestellt wurde.

4. Венгерка (wengerka, dt.: Ungarin)

Das Wort ist rekordverdächtig, was die Anzahl der Bedeutungen angeht. Neben ungarischen Frauen bezeichnet er auch eine heimische Pflaumenart mit dunkler Schale, aus der Dörrpflaumen hergestellt werden. Fischer nennen so eine Angelart aus Ungarn, Feinschmecker erinnert der Begriff an ein Blätterteiggebäck mit Hüttenkäse- oder Apfelfüllung und für Tänzer ist es ein Gesellschaftstanz, der einem ungarischen Czardasz oder Zigeunertanz ähnelt.

5. Вьетнамка (wjetnamka, dt.: Vietnamesin)

Wenn man das Wort wjetnamka in eine russische Suchmaschine eingibt, erhält man Bilder von Badelatschen, die in Deutschland oft als Flip-Flops bezeichnet werden. Diese Badesandalen bestehen aus einer Sohle, an der zwei Riemen mit einem Zehentrenner befestigt werden.

In der UdSSR kamen die wjetnamki Mitte der 1960er Jahre auf. Nach den Erinnerungen der Einwohner wurden die Flip-Flops durch Tauschhandel geliefert, da Moskau Hanoi militärische und technische Hilfe leistete. Später baute die Sowjetunion eine eigene Produktion auf, und die Badesandalen wurden in der Stadt Slanzy im Leningrader Gebiet hergestellt. So entstand in der UdSSR der zweite Name für die kultigen Badelatschen: slánzy.

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