Nachrichten aus erster Hand" – das ist ein Gütesiegel des Journalismus. Qualitätsmedien spielen nicht „Stille Post". Sie bringen keine Gerüchte, die sie irgendwo aufgeschnappt oder abgekupfert haben. Darum unterhält jede Zeitung, die etwas auf sich hält, ein Korrespondenten-Netz in den wichtigsten Zentren der Welt. Das ist der Anspruch.
Leider führt die Krise der klassischen Medien dazu, dass sich nur noch wenige Häuser diesen Luxus leisten können. Die Masse der Auslandsnachrichten stammt heute von Nachrichtenagenturen. Doch auch die besten Korrespondenten sind nicht unbedingt immer dabei, wenn In Moskau, Peking oder Kairo Geschichte gemacht wird. Sie können ihre Region alleine gar nicht abdecken. Meistens sitzen sie in ihren Büros, arbeiten mit dem Material lokaler Agenturen und Zeitungen. Nicht alle Korrespondenten sprechen die Landessprache, viele sind auf die Hilfe von Dolmetschern angewiesen.
Für die Mächtigen des Gastlandes gehörten ausländische Journalisten nicht unbedingt zur wichtigsten Zielgruppe. Man braucht die eigene Presse, was die anderen berichten ist zweitrangig. Meist schreiben die sowieso Blödsinn, weil sie ja gar nicht verstehen, worum es geht. So denken nicht nur Politiker in Moskau.
Auslandskorrespondenten in Washington klagen darüber, dass die Pressekonferenzen des Präsidenten oft längst beendet sind, bevor sie überhaupt ihre Frage gestellt haben. Was kümmern den mächtigsten Mann der Welt die Leser in Wanne-Eickel, der Kollege soll sich mit Agenturmaterial zufrieden geben...Russland hat sowieso eine speziell Kommunikationskultur. Einfach bei einer Pressestelle anzurufen bringt hier wenig, zumal als Ausländer. Wer die Ansprechpartner nicht persönlich kennt, tut sich schwer mit der Recherche.
Und dann sind da die Heimatredaktionen. Die, so berichten nicht nur Russland-Korrespondenten, geben einem ausgewogenen Bericht gerne noch den letzten Schliff und sorgen dafür, dass die gewohnten Klischees nicht zu kurz kommen. Die reißerische Überschrift wird sowieso daheim fabriziert, da können die Korrespondenten nichts dafür.
Aber trotz aller Schattenseiten: Korrespondenten leben im Lande, sie sprechen mit Vertretern des Gastvolkes, können ab und zu auch VIPs interviewen. Ihre Arbeit kommt dem Anspruch „aus erster Hand" näher also sonst eine Form der Auslandsberichterstattung.
Nun schließt also die „Zeit" ihre Korrespondentenbüros in Moskau und Istanbul. Dafür will sie sich in der arabischen Welt und in Lateinamerika stärker engagieren. Ist natürlich deren Sache. Dass die Türkei eines der dynamischsten und politisch aktivsten Länder in unserer europäischen Nachbarschaft geworden ist, muss einen ja nicht interessieren.
Und auch Russland einfach abzuschreiben könnte verfrüht sein. Apropos abschreiben: Wo werden denn die Nachrichten dann herkommen, denn ganz ignorieren lassen sich die beiden Länder ja nicht? Abschreiben, von dpa, von englischsprachigen Lokalmedien wie „Moskau News" oder „Turkey Herald", die speziell für Ausländer produziert werden? Oder gleich von der „Washington Post" und der „Financial Times". Die haben wenigstens noch eigene Korrespondenten.
Vielleicht naht die Rettung ja aus derselben Ecke, aus der auch die Bedrohung für die etablierten Medien kommt? Blogs und Internetmedien berichten aus dem Ausland, ohne den Zwängen der Mainstrem-Presse zu unterliegen. Neutral sind sie deshalb nicht, und wie glaubwürdig sie sind, lässt sich auf die Distanz oft schwer beurteilen. Nachrichten aus erster Hand müssen nämlich nicht immer richtig sein. Die Nutzer sind gefordert, ihr eigenes Gehirn anzustrengen. Diese Aufgabe haben ihnen die klassischen Medien oft abgenommen.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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