Der Tag von Clara und Rosa

 Die russische  Frauen nehmen üblicherweise alle Pflichten des Familienlebens auf sich. Foto: ITAR-TASS

Die russische Frauen nehmen üblicherweise alle Pflichten des Familienlebens auf sich. Foto: ITAR-TASS

"Ich fand es schon immer abartig, den Frauen dazu zu gratulieren, dass sie Frauen sind." Die Russland-HEUTE-Bloggerin Adele Sauer äußert sich über den Frauentag.

Diesen Tag, den 8. März, habe ich besonders „ins Herz geschlossen". Von frühester Jugend an. Ich fand es schon immer abartig, den Frauen dazu zu gratulieren, dass sie Frauen sind. In Russland wird dieser Tag übertrieben

begangen, hier, wo es um die Gleichberechtigung der Frau nicht gerade gut bestellt ist. Inzwischen beglückwünschen sich die Frauen untereinander zu ihrem Status, würde man auf facebookisch sagen. Ich mach bei diesem Treiben nicht mit und werde schief angesehen.

„Das haben wir ja alles Deiner Clara Zetkin zu verdanken", werde ich von allen Seiten angemacht. Das glaub ich aber ganz und gar nicht. Die Zetkin und viele aufrechte Frauen kämpften für Gleichberechtigung, für das Wahlrecht für Frauen und andere wichtige Dinge. Einen solchen verlogenen Eiertanz hätten sie auch rundweg abgelehnt.

Und die Frauen haben sich einwickeln lassen über die Jahre, nehmen gnädig Blumen und Geschenke an. Und lassen sich ausführen, wo sich der Liebste rasch einen hinter die Binde gießt, begleitet von süßen und verlogenen Trinksprüchen auf die Frauen. Das macht er zu Hause auch bloß, nur vom Sofa aus und vielleicht im Feinripp und nicht im Anzug, wie im Restaurant. Zu fortgeschrittener Stunde erinnern sich die Herren der Schöpfung an Husarenzeiten und bestehen darauf, auf die „geliebten" Frauen im Stehen trinken zu wollen. Da fallen Stühle um und Gesichter in Salatschüsseln. Ist das nicht eine Freude und ein schöner Tag? Ganz für die Frauen!

Diese ganze falsche Feierei wurde und wird von den Männern angeheizt, ein besseres Alibi gibt es einfach nicht. Und die Frauen kommen dann vielleicht auch nicht drauf, dass sie von Säufern, Faulpelzen und Speichelleckern umgeben sind. Und sie halten den Mythos des gewaltigen Frauenüberschusses schön am Kochen damit sie nicht vor die Tür gesetzt werden. Es gibt schon noch mehr Frauen als Männer, aber im Vergleich zu den Nachkriegszahlen fällt das Verhältnis ausgewogener aus.

Trotzdem sind die Frauen ständig im Konkurrenzkampf um die Kerle, geben alles, machen sich schön und gehen auf abenteuerlich hohen Absätzen. Aber wo sind sie, die guten und echten Männer? Die Blüte der Nation, die aufrechten und furchtlosen, ließen ihr Leben oder ihre Gesundheit und ihre Gliedmaßen im Krieg. Die Ratten aus dem Hinterland, die Geheimdienstler, die Speichellecker, die Drückeberger und Trinker stellten nach dem Krieg das Gros der Bräutigams.

Die Frauen nahmen es hin und dachten, es müsse eben so sein. Es muss eben so sein, dass der Mann am Wochenende zu seinen Kumpels und Saufbrüdern in die Garage geht oder zum Angeln. Familienleben? Sich mit den Kindern beschäftigen? Fehlanzeige. Die Frauen duldeten diese Schmarotzer und nahmen alle Pflichten auf sich, immer mit der Angst lebend, dass er abhaut zu einer anderen. Aber wäre das wirklich so schlimm gewesen? Die Kinder sahen das Drama mit an und richteten sich sehr früh schon in ihren Rollen ein. Die Frau muss beschimpft und als dumm hingestellt werden, sie darf auch geschlagen werden, keine Frage. Selbst diese Ungeheuerlichkeiten redeten sich die Frauen noch schön. „Er schlägt mich, also liebt er mich!" Wenn die Frau ungewollt schwanger wird, ist das natürlich allein ihre Schuld. Soll sie doch abtreiben! Über Verhütung dachten und denken die Männer nicht, daran verschwenden sie keinen Gedanken.

Dann fiel der eiserne Vorhang rasselnd zu Boden und die Frauen konnten sich die Welt und die Männer der Welt ansehen. Massenhafte Eheschließungen mit Ausländern waren die Folge. Sie waren nicht mehr abhängig von diesen einheimischen Typen! Welch ein Glück! Das passt den russischen Männern aber gar nicht, sie verleumden ihre Konkurrenten, wo sie nur können. Aber es nützt nichts. Der ferne Osten heiratet Chinesen, die Frauen im europäischen Teil orientieren sich nach Europa. Sie leben erlöst und glücklich und ersparen ihren Kindern russischen Ehealltag, sich selbst natürlich auch.

Es wird noch eine Weile dauern, bis sich da grundlegend etwas ändert, die Männer haben die Macht und nutzen sie auch. Machogehabe kommt an, zumindest bei den Männern. Das kann man jeden Tag im Fernsehen mit ansehen.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!