Freunde fürs Leben

Foto: Reuters

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Wer seine Sprache mit Phrasen ausstaffiert, hat entweder nichts zu sagen, oder er sagt unfreiwillig viel mehr, als er eigentlich möchte. Regierungssprecher Wolfgang Seibert kommentierte den Verdacht, dass der US Geheimdienst europäische Politiker und Firmen ausspioniert haben könnte, mit der prolligen Trendfloskel „geht gaanich“. Doch. Das geht. Das machen die Amerikaner uns ja gerade vor.

Dennoch war das die schärfste Ansage, die aus Deutschland zum Thema Spionage/Snowden von Regierungsseite zu hören war. Die Kanzlerin scheint grundsätzlich kein Problem damit zu haben, bespitzelt zu werden. War ja nicht die Stasi. Innenminister Friedrich gab vor seinem Besuch in Washington Lobeshymnen auf die „Freunde“ zum Besten, mit denen er das heikle Thema nun besprechen muss. „Freunde“ ist auch so ein Wort, das in der Politik Inhalte eher verdunkelt als erhellt. Wir werden mit unseren Freunden unter Freunden darüber sprechen, wie Freunde von Freunden auf freundschaftliche Weise noch mehr Informationen über Freunde erhalten. Freund = Big Brother? Freund = jemand, dem man nicht widersprechen darf, egal, was er macht? Dann schon lieber ein Feind, dem darf man wenigstens ins Gesicht sagen, was man über ihn denkt. Ganz ohne Phrasen.

Auch wenn die Opposition so tut, als fände sie das alles ganz furchtbar empörend, hat sie nicht mehr als Worthülsen zu bieten. Schon als Rot-Grün an der Regierung war, wurde gespitzelt und das wussten die damals genauso gut wie es heute die gesamte Führung in Berlin weiß. Nicht nur Minister und Geheimdienstchefs sind informiert. Jeder, der nur am Rande mit Themen wie Politik, Sicherheit, Militär, Industrie oder Wissenschaft zu tun hat, (also eine ganze Menge Leute) weiß, dass es für den amerikanischen Geheimdienst keine Geheimnisse gibt. Könnte man amerikanische Freunde hierzulande vorladen, sollte man sie zum Beispiel zu den NSU-Morden befragen. Die wissen bestimmt alles. Aber natürlich zitiert man Freunde nicht vor den Kadi, nicht mal als Zeugen. Geht gaanich!

Die Tatsache, dass einer Präsidentenmaschine der Luftraum gesperrt werden kann, dass man sie zum Landen zwingt und durchsucht, hat außer ein paar halbherzigen Entschuldigungen keinerlei greifbare Reaktionen unter den europäischen Freundesfreunden hervorgebracht. Man stelle sich das mal vor: die „Airforce One“ wird von zwei Eurofightern des Österreichischen Bundesheers zur Landung gezwungen, weil vielleicht jemand an Bord sitzt, der verdächtig ist, europäische Behörden und Unternehmen ausspioniert zu haben. Geht das? Eben!

Phrasen waren auch aus den Ländern zu hören, die sonst immer gerne damit prahlen, als einzige in der Welt mutig gegen US-Willkür aufzustehen. Aus dem chinesischen Machtbereich wurde Snowden abgeschoben. In Russland verkündete Putin, Snowden können bleiben, wenn er aufhöre, den amerikanischen Partnern zu schaden. Partner? Warum nicht gleich Freunde!

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