Vom Umgang mit der Opposition: wegsperren oder umarmen?

Foto: RIA Novosti

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Warum kommen so viele russische Oppositionelle ins Gefängnis? Weil sie Oppositionelle sind. Zwar werden sie nicht deswegen verknackt, aber der Zusammenhang zwischen Strafmaß und politischer Orientierung ist nicht zu übersehen.

Nawalny, Chodorkowski und Pussy Riot sind aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist genauso fragwürdig: Warum sitzen so viele Menschen, die Verbrechen begangen haben, oder zumindest dessen verdächtig sind, in Russland nicht im Gefängnis? Weil sie auf die eine oder andere Weise zum Lager der „Macht" gehören.

Da wird wegen Korruption im Verteidigungsministerium ermittelt. Es geht nicht nur um Veruntreuung in Millionenhöhe, sondern auch um die

Schwächung der Streitkräfte des Landes. Der Minister muss zwar zurücktreten, fungiert aber in dem Prozess lediglich als Zeuge. Seine Geliebte, eine der Hauptverdächtigen, steht unter Hausarrest, wobei der Begriff „Haus" sich offenbar auch auf Moskauer In-Cafés und Edel-Boutiquen erstreckt. Na ja, Geld hat sie ja.

Eine andere junge Frau überfährt zwei Passantinnen. Die Fahrerin steigt aus, und sieht nach, ob ihr Wagen keinen Schaden genommen hat. Dann greift sie zum Telefon, um Hilfe zu holen. Nicht für die Opfer, sondern für sich selbst. Eine der beiden überfahrenen Frauen stirbt an den Folgen, die andere wird zur Invalidin. Eine Überwachungskamera nimmt das Geschehen auf. Die Frau wird verurteilt, die Strafe aber ausgesetzt. Die Täterin hat nämlich ein kleines Kind, und es wäre doch unmenschlich, eine junge Mutter hinter Gitter zu bringen. (Ausnahme: eine junge Mutter macht Rabatz in der Kirche.) Muss ich erwähnen, dass es sich um die Tochter einer lokalen Größe handelt?

Und dann gibt es noch tausend von Menschen, die weder prominente Oppositionelle noch Angehörige der Führungsclique sind. Auch die bekommen die volle Härte des Gesetzes zu spüren, mal zu Recht, mal zu Unrecht. Und keine westliche NGO setzt sich für sie ein, denn namenlose Knackies haben kein Sexappeal.

Es ist eine traurige Sache mit der Gerechtigkeit in Russland. Eigentlich müsste man fast die gesamte politische und wirtschaftliche Elite des Landes einsperren, inklusive zahlreicher Figuren, die heute Opposition spielen. Aber das geht natürlich nicht. Wer soll denn dann das Land regieren?

Irgendwer muss aber doch in den Knast, also steckt man die hinein, die zu frech werden und die, die sich nicht wehren können.

Wer sich jetzt denkt, das sei ja wie bei uns im Westen, der liegt falsch. Natürlich kommen auch bei uns die Zumwinkels und Maschmeyers stets glimpflich davon, weil sie die richtigen Anwälte bezahlen können. Wer das nicht kann, für den stehen überall in der Welt die Anstaltstore weit offen. Aber unser System sperrt nur die wenigsten Oppositionellen ein. Da muss es schon um schwere Straftaten gehen. Man umarmt vielmehr die meisten von ihnen so lange, bis sie keine mehr sind. Die Karriere des Joschka Fischer vom Steinewerfer zum Kriegs-Minister und Albright-Sozius ist das beste Beispiel.

Wie man das macht, das muss Putin noch lernen. Vielleicht ist er ja schon dabei.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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